Notärzte bald überflüssig?

Rettungassistenten soll es künftig nicht mehr geben - dafür Notfallsanitäter, denen mehr Aufgaben übertragen werden: So will es ein Gesetzentwurf der Bundesregierung. An den neuen Kompetenzen stören sich aber die bayerischen Notärzte. Sie befürchten, bald überflüssig zu werden.

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Die bayerischen Notärzte warnen vor zu großen Kompetenzen für die Notfallsanitäter.

Die bayerischen Notärzte warnen vor zu großen Kompetenzen für die Notfallsanitäter.

© Ssogras / fotolia

MÜNCHEN (sto). Die Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte (agbn) sieht Lücken beim Gesetzentwurf, der den Beruf des Notfallsanitäters neuregeln soll.

So sei es nicht akzeptabel, dass der neue Beruf des Notfallsanitäters als nichtärztlicher Heilberuf und nicht als Gesundheitsfachberuf eingeordnet wird, so der agbn-Vorsitzende Professor Peter Sefrin.

Die Einordnung als Heilberuf werde damit begründet, dass künftige Notfallsanitäter "invasive Maßnahmen" machen sollen, die ein Arzt in seiner sechsjährigen Ausbildung nicht erlernt, sondern erst im Rahmen der Weiterbildung sich aneignen kann, erläuterte Sefrin.

Einsatz des Notarztes könnte überflüssig werden

Im Entwurf werde dies als "eigenständiges Durchführen heilkundlicher Maßnahmen" bezeichnet, was den Einsatz des Notarztes überflüssig mache.

Und das, obwohl ausdrücklich ausgeführt werde, dass das Gesetz nicht zu einem "notarztfreien Rettungssystem" führen soll.

Als Beispiel nannte Sefrin die Einleitung einer Narkose unter den geschützten Bedingungen der Klinik mit der Möglichkeit der Rückversicherung bei möglichen Komplikationen.

Dafür brauche der Notarzt eine Zusatzqualifikation, die der künftige Notfallsanitäter mit der Eingangsqualifikation Realschulabschluss in drei Jahren erlernen soll.

Darüber hinaus sei der Notfallsanitäter nach der Substitution ärztlicher Leistungen wie beispielsweise dem Legen einer Thoraxdrainage oder einer Koniotomie nicht mehr verpflichtet, den Notarzt nachzualarmieren.

Der Sanitäter solle diese Maßnahmen in einem Praktikum im Krankenhaus am Patienten erlernen.

Notärzte: Wozu Schulung?

Wozu Notärzte eine gesonderte Schulung benötigen, wie beispielsweise in einem eigenen Kurs "Invasive Notfalltechniken", sei unerklärlich. "Dies führt zu einem neuen Bereich der Heilkunde", sagte Sefrin.

Mit der Erlaubnis, alle "erlernten Maßnahmen nicht nur bei Vorliegen eines lebensgefährlichen Zustandes" vorzunehmen, sondern bereits bei "zu befürchtenden wesentlichen Folgeschäden", werde für die Übernahme ärztlicher Maßnahmen quasi eine Generalvollmacht erteilt.

Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Notfallsanitäters liege somit auf der eigenständigen Leistungserbringung.

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Kommentare
Stephan Dönitz 10.07.201213:38 Uhr

Alle müssen besser werden!

Mit Recht wird seitens der Notärzte gerne darauf hingewiesen, dass der heutige Rettungsassistent (in der Regel) mit gewissen invasiven Maßnahmen überfordert ist. Es ist gut untersucht, dass beispielsweise zum Erlernen der endotrachealen Intubation (ET) eine Anzahl von Intubationen inkl. fortlaufendem Training erforderlich ist, die normalerweise nur von Anästhesisten erreicht wird. Worauf gewisse Notärzte dann allerdings meist nicht hinweisen, ist, dass viele als Notärzte eingesetzten Nichtanästhesisten über diese Fertigkeiten ebenfalls nicht verfügen. Fazit: Nicht nur der Rettungsassistent, sondern auch sehr viele Notärzte müssten besser die Hände von der ET lassen. Studien wie die von Timmermann zur nichterkannten Fehlintubation durch deutsche Notärzte haben dies gezeigt. Eine andere Arbeit hat gezeigt, dass die meisten arztbesetzten Rettungsmittel in Deutschland nicht über die medikamentöse Ausstattung verfügen, um eine komplett leitliniengerechte Patientenversorgung durchführen zu können. Aus meiner eigenen Tätigkeit als Rettungsassistent auf einen Rettungshubschrauber sind mir mehrere Fälle bekannt, wo wir Patienten vom bodengebundenen Notarzt übernommen haben und quasi nur unser Auftreten am Einsatzort dem Patienten das Leben gerettet hat. Zurück blieb die Frage, was aus dem Patienten wohl geworden wäre, wenn es nachts gewesen wäre und kein RTH hätte kommen können. Andererseits habe ich Einsätze erlebt, wo die Rettungsassistenten bei Patienten mit schwerer Atemnot lieber erst mal einen iv-Zugang gelegt haben, anstatt Sauerstoff zu geben.
Unterm Strich bleibt für mich die Erkenntnis, dass wir alle besser werden müssen. Ich begrüße ausdrücklich eine geplante Kompetenzerweiterung der künftigen Notfallsanitäter. Für die sog. invasiven Maßnahmen braucht man kein Medizinstudium. Es gibt beispielsweise genug Pflegekräfte in der Anästhesie (dazu gehöre auch ich), die tausende von iv-Zugängen gelegt und mehrere 100 Intubationen oder supraglottische Atemwege durchgeführt haben. Das habe ich auch ohne Studium gelernt und kann das sicher besser, als jeder ärztliche Berufsanfänger, der frisch aus dem Studium kommt.
Der Notarzt der Zukunft muss in vielen Fällen aber auch besser ausgebildet werden. Was nützt es, wenn als Notarzt jemand erscheint, der selber völlig überfordert ist?! Diese Erkenntnis ist ja auch in der Ärzteschaft nichts neues und wird leider nur bei diesen berufspolitischen Debatten gerne verschwiegen. Dazu könnte ich sicher noch sehr viel schreiben, aber es fehlt die Zeit. Ich freue mich auf eine sachliche Diskussion, die hoffentlich nur das Wohl des Patienten im Auge hat und nicht auf standespolitischen Ängsten fußt. Liebe Notärzte, begreift doch, dass Euch niemand abschaffen will. Ein Notfallsanitäter, der einige Dinge mehr kann und darf als der heutige Rettungsassistent, macht Euch nicht überflüssig. Aber mit Händchen halten allein kann man nun mal nicht immer den Betroffenen retten. Und wenn man dann 20 oder 30 Minuten auf den Arzt warten muss, dann darfs auch etwas mehr sein :-)

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