Paragraf 219a-Konsens

Nur Hinweis auf Schwangerschaftsabbrüche erlaubt

Der Kompromiss der Koalition, mit dem die Information von Ärzten über Schwangerschaftsabbrüche verbessert werden soll, enthält Ungereimtheiten. Ob er Rechtssicherheit schafft, ist ungewiss.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Positiver Schwangerschaftstest: Dann beginnt die Suche nach Informationen.

Positiver Schwangerschaftstest: Dann beginnt die Suche nach Informationen.

© OJO Images / Image Source

BERLIN. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch nach monatelangem Gezerre in der Koalition eine Neuregelung des Paragrafen 219a Strafgesetzbuch auf den Weg gebracht.

Ärzte können demnach künftig die Öffentlichkeit darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten, ohne Strafverfolgung fürchten zu müssen.

Insoweit bleibt die „Werbung“ für diese ärztliche Leistung verboten, es wird lediglich ein Ausnahmetatbestand in Paragraf 219a eingefügt.

Hinweisen dürfen Ärzte darauf,

  • dass sie die Abruptio anbieten
  • sowie auf weitergehende Informationen bei Behörden, Ärztekammern oder Beratungsstellen nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz.

Dadurch, so heißt es im Gesetzentwurf, werde die „Strafbarkeit nicht weiter zurückgenommen, als dies zur Erreichung des Ziels einer sachlichen Information von Frauen in Konfliktlagen erforderlich ist“.

Des Weiteren soll die Bundesärztekammer beauftragt werden, eine bundesweite Liste von Ärzten und Einrichtungen zu führen, die Abbrüche vornehmen. Sie soll auch Informationen über die dabei angewandten Methoden enthalten und monatlich aktualisiert werden.

BÄK sieht tragfähigen Kompromiss

Die bisherige Informationsvermittlung in der Praxis sei „sehr uneinheitlich“. So seien betroffenen Frauen in einzelnen Regionen Adressen von Ärzten nur mündlich mitgeteilt worden.

Damit alle Schwangere in einer Konfliktlage gleich gute Möglichkeiten haben, professionelle Hilfe einzuholen, sei eine „bundesrechtliche Regelung geboten“. Die Bundesärztekammer hatte den Koalitionskompromiss als „tragfähig“ bewertet.

Begrüßt wurde auch, dass Ärzten die Meldung an die Anbieterliste freigestellt ist, insoweit dafür also keine Verpflichtung besteht. Kritischer äußerte sich der Berufsverband der Frauenärzte. Es sei nicht nachvollziehbar, dass Ärzte und Krankenhäuser nicht über die Methoden der Abruptio informieren dürfen.

Zudem entstünden damit neue Rechtsunsicherheiten, da damit zu rechnen sei, dass „diese feine Unterscheidung nicht durchgängig gewahrt wird“ – neue Strafverfahren könnten die Folge sein.

Bessere Qualifizierung – irgendwie

Kostenlose Verhütungsmittel

  • Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Kontrazeptiva künftig an Frauen bis zum Alter von 22 Jahren kostenlos abgegeben werden können. Bisher liegt die Altersgrenze bei 20 Jahren.
  • Unterstützt werden sollen so junge Frauen, die sich noch in der Ausbildung befänden. Warum die Altersgrenze auf 22 Jahre festgesetzt wurde, bleibt unklar.
  • Die jährlichen Mehrausgaben der Krankenkassen werden mit 40 Millionen Euro angegeben.

Zu einer Absichtserklärung ist die Ankündigung der Koalition geschrumpft, dass die „Qualifizierung von Ärzten zu Methoden des Schwangerschaftsabbruches fortentwickelt werden“ soll.

Dies findet sich nicht im Gesetzentwurf wieder. Man habe sich darauf verständigt, dass das Bundesgesundheitsministerium bis Ende 2019 „konkrete Vorschläge vorlegen“ soll.

Das BMG erklärte auf Anfrage am Mittwoch, man wolle vor weiteren Schritten die Verabschiedung des Gesetzes abwarten. Denkbar sei beispielsweise eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Ärztekammern und Ministerium, hieß es.

Der Gesetzentwurf ist erwartungsgemäß kontrovers kommentiert worden. Anders als die Bischofskonferenz hat die Evangelische Kirche den Kompromiss grundsätzlich befürwortet, da so „Auswüchse von Kriminalisierung durch Dritte verhindert (...) und zugleich der langjährige Konsens über das gesetzgeberische Schutzkonzept für das ungeborene Leben (...) auch in Zukunft gesichert bleibt“.

Die Grünen im Bundestag bezeichneten es als „absurd“, dass Ärzten das Wort „Schwangerschaftsabbruch“ erlaubt werden soll, „jede weitere Silbe und individuelle Informationen jedoch strafbar bleiben sollen“. Für die Unionsfraktion betonte dagegen die rechtspolitische Sprecherin Elisabeth Winkelmeier-Becker, es sei wichtig, dass „die Stellung der unabhängigen Beratung erhalten bleibt“. Diese erste Anlaufstelle für Frauen dürfe nicht „durch die Hintertür geschwächt werden“.

Wir haben den Beitrag aktualisiert und verlängert am 06.02.2019 um 16:12 Uhr.

Lesen Sie dazu auch: Paragraf 219a-Konsens: Ein Akt der Erschöpfung

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