Unsichere Zeiten
Pflegefachkräfte sollen fit für Kriseneinsätze sein
Die politische Weltlage hat sich verändert. Pflegekräfte sollten deshalb besser auf Ausnahmesituationen vorbereitet werden, fordern Experten.
Veröffentlicht:
Deutschland lebt seit 80 Jahren in Frieden. Erfahrungen mit Kriegsverletzungen mussten Pflegekräfte hierzulande bislang glücklicherweise nur in wenigen Ausnahmefällen machen.
© kaninstudio / stock.adobe.com
Berlin. Pflegekräfte sollen verstärkt auf den Einsatz in Kriegen und Katastrophen vorbereitet werden. Die Bundeswehr hatte dazu auf dem Deutschen Pflegetag vergangene Woche in Berlin zum Workshop „Military and Disaster Nursing“ eingeladen. Die zentrale Botschaft der Referenten: Damit Pflege auch in Ausnahmesituationen gut funktioniert, müssen Pflegefachkräfte fortgebildet und ihre Pflegekompetenz auf der Entscheiderebene verankert werden. Zudem braucht es bundesweite Informationen zur Anzahl und Kompetenz der einsatzbereiten Pflegefachkräfte.
Dr. Johannes Backus, als Kommandeur für die Gesundheitsversorgung der Bundeswehr zuständig, formulierte zur Sicherheitslage klare Worte: „Wir leben nicht mehr im Frieden, sondern in einer hybriden Bedrohungslage.“ Deutschlands Gesundheitswesen müsse sich auf einen möglichen Ernstfall vorbereiten – schließlich sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sich der Krieg in der Ukraine ausweitet und Deutschland aufgrund seiner geographischen Lage zum logistischen Dreh- und Angelpunkt der NATO werde: Hunderttausende Streitkräfte aus unterschiedlichen Ländern müssten im Bündnisfall von West nach Ost transportiert, Verletzte von der Front in den Kliniken verteilt, Zivilisten versorgt und zuströmende Flüchtlinge aufgenommen werden.
Andere Verletzungen als bei Unfällen
Die Erfahrungen aus der Ukraine zeigten, dass pro Tag mit mehr als 1.000 Patienten aus den umkämpften Gebieten zu rechnen wäre. Neben den fünf Bundeswehrkliniken in Deutschland sind dann insbesondere Kliniken der Berufsgenossenschaften gefordert. Sie haben eine hohe Expertise im Umgang mit Schwerverletzten und sind bundesweit verteilt. Zudem stehen 37 Universitätsklinika bereit. Alle 52 Einrichtungen sind bereits als Traumazentren zertifiziert. Die „Verletzungsmuster“, so Backus, werden andere sein als in der Akutmedizin: „Verstümmelte Patienten, Menschen mit Brandwunden – das muss man psychisch aushalten können.“ Die Pflegefachkräfte seien unerlässlich, um die geschätzten Zahl an Verletzten gut zu versorgen.
Torsten Weiner, Pflegedirektor am BG Klinikum Hamburg, nennt die Pflegefachkräfte die „Prozesseigner“. Denn sie begleiten die Patienten rund um die Uhr, von der Aufnahme bis zur Entlassung. Professor Michael Ewers sieht es als „Kernaufgabe der Pflege“ an, die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten. Der Direktor des Instituts für Gesundheits- und Pflegewissenschaft an der Charité-Universitätsmedizin Berlin forderte, Pflegeexpertinnen und -experten auch in den Entscheidungs- und Steuerungsgremien einzubinden: „Die Kompetenz der Pflege muss bereits in den Vorbereitungen und Planungen sichtbar werden.“
Informationsdefizite können Evakuierungen erschweren
Zwei zentrale Informationsdefizite sieht Ewers aktuell: Es fehlten eine Übersicht zur Anzahl, zu den Kompetenzen und Einsatzbereitschaft der ausgebildeten Pflegefachkräfte wie auch entsprechende Informationen zu den Pflegebedürftigen, ihren Wohnorten und den gesundheitlichen Belastungen. Eine Evakuierung in einer Bedrohungslage sei damit nur mit größtem Aufwand umsetzbar: „Sie müssten dann an jeder Wohnungstür klingeln und nachfragen, was benötigt wird“, sagt Ewers. Marie-Christin Petrasch, Pflegeexpertin der Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes, verweist schließlich auf bestehende und neue Fortbildungen - wie Community Health Nursing, „Pflegeunterstützungskräfte“ (PUK), Gruppenführer Pflege -, die allesamt zu Pflegeaufgaben in Krisenzeiten fortbilden.
Das Kompetenzzentrum für Pflege im Bevölkerungsschutz, gegründet als Zusammenschluss von regionalen DRK-Schwesternschaften, bietet Pflegefachkräften unterschiedliche Qualifizierungen und Fortbildungen an: https://www.pflege-im-bevoelkerungsschutz.de/



