Pflege

Pflegekräfte wollen keine Hilfskräfte mehr sein

Pflegekräfte wollen keine Hilfskräfte sein, sondern mehr Verantwortung übernehmen. Und dafür werden sie kämpfen. Das gibt die Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerates auch über 200 Delegierten des Marburger Bundes deutlich zu verstehen.

Von Christiane Badenberg Veröffentlicht:
Mehr Eigenverantwortung: Das fordern Pflegekräfte ein.

Mehr Eigenverantwortung: Das fordern Pflegekräfte ein.

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Berlin. Viele Pflegekräfte wollen nicht Ärzte entlasten, sondern ihren eigenen Beruf professionell ausüben. Wichtige Voraussetzung dafür: Mehr Eigenverantwortung.

Diese Position hat die Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), Christine Vogler, offensiv beim öffentlichen Teil der Hauptversammlung des Marburger Bundes in Berlin deutlich gemacht. Das Thema: Kooperation der Gesundheitsberufe – Stärkung der Versorgung?“

Selbstbewusstsein brauchte Vogler auch, um diese Auffassung vor mehr als 200 Ärzten zu vertreten, die wahrlich nicht alle ihre Meinung teilten. „Keine Pflegekraft möchte heute mehr aufstehen, um den Arzt zu entlasten. Wir möchten unserer pflegerischen Position nachgehen“, machte sie deutlich.

Große Unzufriedenheit

Den Pflegekräften mehr Verantwortung zu übertragen, darin sieht Vogler eine Chance. Zum Beispiel auf dem Land , „wo es wenig Pflegekräfte und noch weniger Ärzte gibt“. Die Verantwortung solle tragen, wer auch die Versorgung übernimmt, sagt sie.

Vogler will das Leistungsrecht für Pflege- und Gesundheitsberufe öffnen. Es solle eine neue allgemeine Versorgungsebene eingeführt werden. Die therapeutische Gesamtverantwortung für die Patienten solle zwischen den Berufen geteilt werden, fordert Vogler. „Viele geben den Beruf auf, weil sie nicht das tun dürfen, was sie tatsächlich können“, so die DPR-Vize.

Stop Substitution könne man sagen, aber man müsse sich dann auch fragen, was solche Forderungen mit den anderen Berufen machen würden, so Vogler. Sie habe einen Kollegen begleitet, der in kurzer Zeit 24 Patienten versorgt habe.

„Da war alles dabei, bis zum Beatmungspatienten. Der Kollege muss doch einen neuen Katheter bestellen können, ohne Rücksprache mit dem Arzt zu nehmen“, fordert Vogler.

Erst immer zum Hausarzt zu gehen, um sich dann von der MFA eine Verordnung aushändigen zu lassen, das hält sie angesichts der hohen Qualifikation der Pflegekräfte für nicht mehr zeitgemäß. „Es ist bedauerlich, dass wir diese Diskussion als Mangeldiskussion hier führen“, so Vogler, „aber sonst würden wir sie vielleicht gar nicht führen.“

Generalistische Ausbildung positiv

Positiv sieht sie die generalistische Ausbildung in der Pflege. Sie sorge dafür, dass die Auszubildenden das ganze System kennenlernten. Das treffe sonst meistens nur auf die Patienten zu, alle anderen würden immer da bleiben, wo sie sind.

Gerade diesen Aspekt beurteilte der niedersächsische Delegierte und Kinderarzt Dr. Detlef Schmitz ganz anders: „Die Kinderkrankenpflege wird immer komplexer, wie soll dann eine übergreifende Ausbildung mehr bringen?“, fragte er. Alle Diskussionen über Entlastung würden dadurch konterkariert, dass jeder schon soviel zu tun habe, dass er gar keine anderen Aufgaben mehr übernehmen könne.

„Mich stört, dass bei Ihnen Kooperation immer im Sinne von Entlastung diskutiert wird“, sagte die Vorsitzende des Spitzenverbandes der Heilmittelverbände (SHV), Ute Repschläger, an die Ärzte gewandt. Für sie bedeute Kooperation Fehlervermeidung, Nutzung der Ressourcen und mehr Patientenzufriedenheit.

Bis heute gebe es bei der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und anderen Gesundheitsberufen immer noch Probleme. So sei sie bei stationären Patienten nicht einheitlich geregelt. Es gebe in der Organisation große Unterschiede zwischen den einzelnen Krankenhäusern, so Repschläger. Bei ambulanten Patienten sei die Kooperation vom „Goodwill“ der beteiligten Ärzte abhängig, kritisierte sie.

„Es ist kein Wettbewerb“

Repschläger forderte auch, die Heilmittelerbringer an die Telematikinfrastruktur anzuschließen und in der Telemedizin gemeinsame Hard- und Software zu nutzen. Zudem müssten Kommunikationsleistungen vergütet werden.

Klar gegen die Substitution von Leistungen sprach sich der Hausarzt und vormalige Vize der Bundesärztekammer, Max Kaplan, aus. „Kein Beruf kann den anderen ersetzen“, so Kaplan. Es gehe mehr um die Übertragung von Aufgaben.

Die Pflege habe in den vergangenen Jahren enorm an Kompetenzen hinzugewonnen und die Zusammenarbeit habe sich gewandelt, „aber es ist kein Wettbewerb zwischen den Berufen“. Er warb für gemeinsame Ausbildungsabschnitte, Fortbildungs- und Qualitätszirkel.

Es solle eine Konzentration auf die Weiterentwicklung der beruflichen Kernkompetenz geben. Für absolut sinnvoll hält Kaplan eine Blankoverordnung durch Heilmittelerbringer.

Für Dr. Henrik Herrmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein, ist das Wichtigste: „Es muss definiert werden, wer die Letztverantwortung hat. Irgendwo müssen die Fäden zusammenlaufen und derjenige muss für die Behandlung verantwortlich sein“, sagt er.

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