Pflegereform-Debatte voller Angriffslust

Munterer Bundestag: Attacken auf das jeweils andere Lager haben heute die erste Debatte im Plenum über die geplante Pflegereform bestimmt. Die SPD ist mit einem Antrag, Demenzkranke schneller besser zu stellen, gescheitert.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:

BERLIN. Die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen werfen ihre Schatten voraus.

Politiker von Regierung und Opposition nutzten die erste Debatte im Bundestag über die von der schwarz-gelben Koalitionsregierung vorbereitete Pflegereform am Donnerstag zu Attacken auf das jeweils andere politische Lager.

Gesundheitsminister Daniel Bahr hat seine Pflegereform mit Vehemenz verteidigt und dem Entwurf Gewicht verliehen: "Das Pflege-Neuausrichtungsgesetz stärkt den Zusammenhalt in der Gesellschaft", warb er für das Paragrafenwerk.

Das bringt Bahrs Pflegereform

Beiträge: Die Beiträge sollen zum 1. Januar auf 2,05 Prozent (Kinderlose 2,3 Prozent) steigen.

Leistungen: Zum Beispiel Demenzerkrankte ohne Pflegestufe sollen dann erstmals Pflegegeld oder Pflegesachleistungen. erhalten. In allen Stufen sollen die Leistungen steigen.

Angehörige: Pflegende sollen leichter Auszeiten nehmen können.

Pflege-WG: Alternative Wohnformen von Pflegebedürftigen sollen mit 30 Millionen Euro gefördert werden.

Pflege-Zusatzversicherung: Private Policen sollen mit 100 Millionen Euro bezuschusst werden. Das ist Gegenstand eines eigenen Gesetzesverfahrens.

1,1 Milliarden Euro aus einer für 2013 geplanten Beitragserhöhung in der Sozialen Pflegeversicherung flössen gezielt Familien und den Angehörigen zu.

Das Gesetz stelle keinen Menschen schlechter. 500.000 an Demenz erkrankte Menschen könnten sich ab Januar 2013 wenigstens einmal in der Woche eine Unterstützung leisten, die für sie bei den heutigen Leistungsumfängen nicht drin sei.

Mit dem PNG will die Koalition Pflegegeld und Sachleistungen für alle Pflegebedürftigen anheben. Die Demenzkranken galten bislang als somatisch nicht pflegebedürftig und erhielten in der Regel keine Pflegestufe.

Pflege-Qualitätsbericht ein großes Thema

Breiten Raum nahm der in dieser Woche veröffentlichte Pflege-Qualitätsbericht der Krankenkassen ein. Bahr forderte die Pflegebranche und die Krankenkassen auf, die Missstände in den Pflegeheimen abzustellen.

"Die Pflege ist die große gesellschaftspolitische Debatte des Landes", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion Jens Spahn.

Der Opposition warf er vor, die Ergebnisse des Berichts zu instrumentalisieren, um das Image der Pflege zu beschädigen. Spahn forderte stattdessen mehr Respekt für die "aufopferungsvolle Arbeit" der Pflegekräfte.

Zuvor hatte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, der Regierung "Schönrednerei" vorgeworfen. Die mit der Reform erwartete Qualitätsoffensive in der Pflege bleibe aus.

"Die Pflege hat keine Lobby", kritisierte Lauterbach

Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Professor Karl Lauterbach, monierte die nach wie vor fehlende Ausweitung des Pflegebedürftigkeitsbegriffes auf an Demenz erkrankte Menschen. "Die Pflege hat keine Lobby. Deshalb tut die Regierung nichts", sagte Lauterbach.

Eine systematische Besserstellung der etwa 1,2 Millionen Demenzkranken sei sofort möglich. Die Vorarbeiten seien bereits in der Großen Koalition geleistet worden. GKV-Vorstand Gernot Kiefer hatte Mitte der Woche sogar gefordert, die erst ab 2013 geplanten Leistungsverbesserungen sofort einzuführen.

Für den CSU-Politiker Johannes Singhammer wird der neue Pflegebegriff schon mit der Pflegereform "Wirklichkeit", weil Demenzkranke mehr Leistungen erhielten.

Ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff, der sich von einer rein somatischen Betrachtung der Bedürftigkeit abwendet, wird derzeit in einem von Bahr einberufenen Beirat erarbeitet.

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