Rösler will starre Regeln bei der Bedarfsplanung abschaffen

BERLIN (dpa/fst). Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will angesichts des Ärztemangels in manchen Regionen die Gründung von Arztpraxen erleichtern.

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Spricht sich für flexiblere Regeln bei der Bedarfsplanung aus: Philipp Rösler. © dpa

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Dazu soll die regionale Verteilung von Ärzten geändert werden. "Die heutigen Regelungen sind zu starr", sagte Rösler der "Financial Times Deutschland". Künftig solle sich der Bedarf an niedergelassenen Ärzten in einem Bezirk nicht mehr zwingend an den Stadt- und Landkreisgrenzen ausrichten, sondern flexibel errechnet werden können.

Als ein Nachteil der bisherigen Bedarfsplanung gilt zudem, dass sie regional nicht differenziert genug ist. So gilt Berlin beispielsweise als ein einziger Bedarfsplanungsbezirk - obwohl es in wohlhabenden Stadtteilen oftmals zu viele und in ärmeren Stadtteilen zu wenige Ärzte gibt.

Vier Gesundheitspolitiker der Union haben bereits Mitte März weitergehende Vorschläge vorlegt. Darin plädieren sie für einen sektorübergreifenden Ausschuss zur Versorgungsplanung. Angehören sollten diesem neuen Gremium Vertreter aus KV, Kammer, Kassen, Landeskrankenhausgesellschaft und das zuständige Landesministerium.

Die Gruppe um den gesundheitspolitischen Sprecher Jens Spahn (CDU) votiert dafür, dass bei dieser sektorübergreifenden Bedarfsplanung auch ambulante Leistungen der Krankenhäuser berücksichtigt werden. Dies sei "eine große Chance zur Lösung der Konflikte (...) an der Schnittstelle von ambulanter und stationärer Versorgung", heißt es im Papier der Unionspolitiker. Gefordert wird zudem, die Unterschiede zwischen Stadt und Land müssten bei Vergütung, Organisation von Notdiensten und Zulassungssteuerung stärker berücksichtigt werden.

Die Unions-Politiker schlagen zudem einen Strukturfonds vor, aus dem finanzielle Anreize für niederlassungswillige Ärzte finanziert werden sollen. Gespeist werden soll dieser Fonds durch ein Prozent der Gesamtvergütung in den jeweiligen KVen. Schon in der Vergangenheit haben Bundesländer mit verschiedenen Anreizen versucht, junge Ärzte aufs Land locken. Die Initiativen reichen von einer Aufklärungskampagne über die Arbeit auf dem Land bis zu finanzieller Starthilfe:

  • In Nordrhein-Westfalen etwa bietet das Gesundheitsministerium bis zu 50 000 Euro Prämie für Hausärzte, die in Kleinstädten und Gemeinden mit Ärztemangel eine Praxis gründen oder übernehmen. "Noch haben wir keinen wirklichen Ärztemangel", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. In den kommenden zehn Jahren werde aber gut ein Drittel der Hausärzte aus Altersgründen die Praxis aufgeben und womöglich keinen Nachfolger finden. Gefördert würden deshalb Hausärzte in Kommunen, in denen maximal 25 000 Einwohner lebten und der Versorgungsgrad mit Ärzten unter 60 Jahren weniger als 75 Prozent betrage.
  • Ähnliche Sorgen gibt es in Schleswig-Holstein. Hier werden nach Angaben der KV in den kommenden fünf Jahren 900 der 1900 Hausärzte in den Ruhestand gehen. Als Gegenmaßnahme stocken die KV und die Krankenkassen bundesweit das Gehalt von Weiterbildungsassistenten auf. Diese erhalten im zweijährigen Weiterbildungsabschnitt in der Praxis eines niedergelassenen Arztes seit diesem Jahr 3500 statt der bislang üblichen 2040 Euro pro Monat. Die Ärzte - so die Hoffnung - sollen später die Praxen übernehmen, in denen sie weitergebildet wurden.
  • Schon 2007 hat das Gesundheitsministerium in Rheinland-Pfalz mit Partnern einen Masterplan mit mehreren Maßnahmen aufgelegt. So wurden unter anderem Lehrpraxen für das Praktische Jahr ausgebaut und eine Praxisabgabe-Börse eingerichtet. Außerdem soll Hausärzten dabei geholfen werden, eine Praxis zu gründen.
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Kommentare
Helmut Karsch 08.04.201017:14 Uhr

Markt geht einher, mit Marktverhalten

Die Landflucht ist doch nicht eine typisch ärztliche Reaktion, sondern entspricht doch den normalen Reaktionsmustern eines wirtschaftlich denkenden Menschen. Wenn Ladenlokale schließen, Absatzmärkte wegbrechen und der Einzelhandel sich auflöst, bzw.nur noch rudimetäre Reste übrigbleiben, die Postfilialen und Banken verschwinden, kann man wohl kaum erwarten, dass sich bei "soviel Infrastruktur" Lebensqualität einstellt. Die Quintessenz bleibt,wie überall in der Welt. Die Alten bleiben, die Jungen gehen.
Das das nicht in die Wahrnehmungswelt der Poltik passt und wie immer nach einem Sündenbock gesucht wird, ist auch nicht neues. Es ist der- selbe Reflex, mit dem Hunde nach der Wurst schnappen.
Das die Politik nachhaltig an dieser Gemengelage mitgewirkt hat, in dem die Apologeten des freien Marktes, doch immer die totale Flexibilität herbeigerufen haben, wird hier zu einem bedrohlichen Bummerang.
Die jetzigen Klimmzüge, die drohende Unterversorgung zu stoppen, sind nichts als hilfslose Zuckungen der Personenkreise, die Jahrzehnte versäumt haben sich auf diese Entwicklung vorzubereiten. Auch hier gibt das Ausland wertvolle Tipps. Auch in der Schweiz und anderen Ländern gibt es diese Landflucht, es ist also kein " typisch deutsches Problem".
Man kann gespannt sein auf die "tollen Vorschläge" die da noch kommen werden. Eins ist sicher: Die Zukunft der Medizin ist weiblich und wird sich sicherlich nicht in der Freiberuflichkeit wiederspiegeln.
Da werden sich die privaten Krankenhausbetreiber jetzt schon die Hände reiben.

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