Appell an Regierung und Bundestag

Schmerzmediziner dringen auf eigene Leistungsgruppe in der Klinikreform

Ohne eine Leistungsgruppe „Spezielle Schmerzmedizin“ sehen Schmerzmediziner viele stationäre Behandlungsangebote vor dem Aus. Verbände warnen, jetzt würden in den Krankenhäusern die Weichen gestellt.

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Viele schmerztherapeutische Einrichtungen sind gefährdet, weil sie im Zuge der Krankenhausreform ihre Abrechnungsgrundlage verlieren, warnen Verbände.

Viele schmerztherapeutische Einrichtungen sind gefährdet, weil sie im Zuge der Krankenhausreform ihre Abrechnungsgrundlage verlieren, warnen Verbände.

© Lila Patel - stock.adobe.com

Berlin. Schmerzmediziner und Patientenverbände drängen auf Änderungen im geplanten Krankenhausanpassungsgesetz (KHAG). Denn bislang fehlt eine Leistungsgruppe „Spezielle Schmerzmedizin“. Stattdessen finden sich spezialisierte stationäre Angebot in fachfremden Leistungsgruppen wie der „Allgemeinen Inneren Medizin oder in der „Allgemeinen Chirurgie“ wieder.

„Dort werden qualitative Mindestanforderungen in der Personal- und Geräteausstattung vorgeschrieben, die mit guter schmerztherapeutischer Versorgung wenig zu tun haben“, sagte Professor Frank Petzke, Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft, am Donnerstag.

Bislang wird die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (IMST) bundesweit in rund 370 Kliniken angeboten. Fachgesellschaften, Verbände und Patientenvertreter fürchten, dass bei fehlender gesetzlicher Absicherung diese Angebote zunehmend wegbrechen könnten.

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Für Professor Joachim Nadstawek, Vorsitzender des Berufsverbands der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin (BVSD), steht die schmerztherapeutische Versorgung an einem „Scheideweg“. Er warnte, die ambulante Versorgung könne die wegbrechenden stationären Strukturen nicht kompensieren.

Nadstawek wies darauf hin, die große Mehrheit der angehenden Schmerztherapeuten würden in Kliniken weitergebildet. „Wir brauchen die stationären Strukturen für die Weiterbildung“, betonte er – anderenfalls würde die heute bereits überalterte Gruppe der Schmerzmediziner kaum noch Nachwuchs generieren.

Im Mai hatte der Deutsche Ärztetag in einem Beschluss gewarnt, schmerztherapeutische Einrichtungen benötigten „dringend und zeitnah eine verlässliche Perspektive, dass ihre Leistungen bei Umsetzung der Krankenhausreform nicht einem unausgereiften Algorithmus zum Opfer fallen“. Schon bisher sind etwa vier Millionen Menschen in Deutschland so stark von chronischen Schmerzen betroffen, dass sie häufig nicht mehr am Arbeitsleben teilnehmen können.

Dr. Jan Emmerich, Vorstandsmitglied des Berufsverbands für Physikalische und Rehabilitative Medizin (BVPRM), wies auf die möglichen Folgen für Rehabilitation und Teilhabe hin, wenn die Schmerzmedizin im Krankenhaus geschwächt wird. Es könne zu einer steigenden Zahl von Berentungen von Patienten mit chronischen Schmerzerkrankungen kommen, wenn die Nachsorge nicht mehr funktioniere.

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Krankenhausgeschäftsführer träfen jetzt schon Richtungsentscheidungen und konzentrierten sich auf Leistungsgruppen, die ihnen voraussichtlich zugewiesen werden. Und mit der Schließung von Einrichtungen würden die Entfernungen für Patienten immer größer.

Auch Dr. Reinhard Thoma, Sprecher der Ad-hoc-Kommission Krankenhausreform der Deutschen Schmerzgesellschaft, betonte am Beispiel von Bayern die absehbaren Folgen der fehlenden Planungssicherheit.

Fast 50 Prozent der tagesklinischen Behandlungsplätze seien dort in Krankenhäusern der Grundversorgung angesiedelt. „Diese werden als erstes wegfallen“, warnte Thoma. Eine eigene Leistungsgruppe ist nach seiner Ansicht die einzige Möglichkeit, um diesen Prozess zu verhindern.

Aus Sicht der Betroffenen hob Heike Norda, Präsidentin der Unabhängigen Vereinigung aktiver Schmerzpatienten in Deutschland (UVSD Schmerzlos e.V.), die hohe Suizidalität von Schmerzpatienten hervor. Sie bezeichnete es als eine „Katastrophe“, wenn entsprechende Kliniken und Abteilungen wegbrechen würden.

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Der Experte für Krankenhausökonomie von der DRG Research Group, Dr. Wolfgang Fiori, wies darauf hin, dass sich die geschilderten Probleme der stationären Schmerzmedizin allein mit Änderungen im KHAG nicht regeln ließen. Denn entscheidend sei eine eigene Leistungsgruppe „Spezielle Schmerzmedizin“. Der Umweg, etwa die Definition für Fachkrankenhäuser zu ändern, sei zu komplex und werde sich zeitnah nicht umsetzen lassen.

„Eine eigene Leistungsgruppe ist jetzt nötig – es braucht eine planbare und sichere Perspektive in der Krankenhausreform, sonst bricht die Schmerzmedizin weg – sowohl im ländlichen Raum als auch bundesweit“, sagte Thomas Isenburg, Geschäftsführer der Deutschen Schmerzgesellschaft, der Ärzte Zeitung. Über 40 Prozent der Einrichtungen würden sonst das kommende Jahr nicht überleben, „mangels Planungssicherheit und ökonomischer Abrechenbarkeit“. (fst)

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