Schul-Volksentscheid politisiert Ärzte

HAMBURG (di). In Hamburg wird im Sommer mit einem Volksentscheid über die Einführung einer Primarschule entschieden. Der Streit darüber geht quer durch die Bevölkerung - und durch die Ärzteschaft.

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Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) kämpfen für die Reform.

Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) kämpfen für die Reform.

© Finn / dpa

Seit Monaten wird in Hamburg mit Inbrunst über die Bildung gestritten - und Ärzte sind mittendrin im öffentlichen Schlagabtausch. Chefärzte, Berufsverbandsvorsitzende, zahlreiche Mitglieder der körperschaftlichen Gremien und Praxisinhaber beteiligen sich an der Diskussion und versuchen, die Bevölkerung vor dem Volksentscheid mit ihren Argumenten zu überzeugen. Hintergrund ist der Beschluss, eine sechsjährige Primarschule verpflichtend einzuführen. Bislang lernt der Hamburger Nachwuchs wie in den meisten Bundesländern vier Jahre in der Grundschule, dann wird über die weiterführende Schule entschieden. Künftig sollen die Kinder bis zum Ende der sechsten Klasse zusammenbleiben - so wie in Berlin und Brandenburg. Für beide Wege haben sich im Vorwege des Volksentscheids Lager gebildet, für die Ärzte zum Teil offen ihre Sympathien zeigen und auch aktiv eingreifen.

So wie eine Gruppe von 47 Ärzten, die sich in einem offenen Brief "an die Hamburger Bürgerinnen und Bürger, an unsere Patienten" wandte. Sie sind gegen die sechsjährige Primarschule, weil sie darin eine Insellösung für Hamburg und damit einen Nachteil für den Gesundheitsstandort sehen. Ihre Befürchtung: Weiterbildungsassistenten könnten Hamburg künftig meiden, weil die ihren Kindern nicht für einen Übergangszeitraum den Wechsel in eine Primarschule zumuten wollen. Denn bei einem späteren Wechsel zurück in ein Bundesland mit vierjährigem System könnte es nach ihrer Darstellung zu Nachteilen kommen. Zugleich könnte sich das neue System auch bei der Berufung hoch qualifizierter Ärzte nachteilig auswirken, meinen die Verfasser: "Da die meisten Ärzte sich für ihre Kinder Gymnasien mit Schwerpunkten möglichst ab Klasse 5 wünschen, werden sich qualifizierte Kollegen bei Berufungsangeboten aus mehreren Bundesländern wegen der geplanten Schulreform meist gegen Hamburg entscheiden", heißt es in dem offenen Brief.

"Nicht in unserem Namen", unter dieser Überschrift protestierten andere Ärzte empört gegen den offenen Brief ihrer Kollegen. "Diese Gruppe gibt nicht die Meinung aller Hamburger Ärzte wieder", stellten sie in einer Pressemitteilung klar - und fuhren schweres Geschütz auf: "Leider ist nichts von der sozialen Verantwortung, den unser Berufsethos mit sich bringt, zu lesen - stattdessen eine elitäre Abgrenzung, damit die Kinder gut situierter Kaufleute und Ärzte weiterhin unter sich bleiben, statt weitere zwei Jahre im bekannten Klassenverband gemeinsam zu lernen." Sie werfen ihren Kollegen weiter vor, das Vertrauensverhältnis zu ihren Patienten zu missbrauchen, "um ihre elitären Ziele zu verfolgen." Statt eines Nachteils sehen sie in der Primarschule einen Anreiz für junge Kollegen, die eine familienfreundliche Bildungspolitik mit "bestmöglichem Bildungszugang" wünschen. Keinen Grund zum Eingreifen sieht die Hamburger Ärztekammer - Ärzte hätten das gleiche Recht auf freie Meinungsäußerung wie alle anderen Berufsgruppen auch.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ärzte streiten - mal nicht ums Geld

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