Kommentar

Schulzens Mini-Wunderwelt

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

Gerade einmal zwei der 67 Seiten eines Entwurfs des SPD-Parteivorstandes für ein Regierungsprogramm der nächsten Legislaturperiode umfassen die Pläne für die Gesundheitspolitik. Man darf sich also nicht viel Aufschluss darüber erwarten, was Kanzlerkandidat und SPD-Parteivorsitzender Martin Schulz wirklich will und kann – außer die Welt ein bisschen schöner und gerechter zu machen.

So bleibt es – übrigens auch in den anderen Teilen des Programmentwurfs – bei vagen Zielbeschreibungen mit nicht kalkulierbaren Wirkungen. Diese aber reichen aus, um eine Jahrhundertreform zu füllen, die es bekanntlich in der Gesundheitspolitik (wie auch auf anderen Feldern) nicht gibt. Merkwürdig: Mit einer Unterbrechung von vier Jahren ist die SPD seit 1998 in der Regierungsverantwortung und dürfte wissen, wie schwierig, mühselig und kleinteilig Politik und erst recht die Gesundheitspolitik mit ihrer starken Abhängigkeit von der oft widerborstigen und quälend langsam arbeitenden Selbstverwaltung ist.

Nun gaukelt sie den potenziellen Wählern vor, mit der Schaffung einer solidarischen Bürgerversicherung und einer einheitlichen Honorarordnung für Ärzte Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten bei der Gesundheitsversorgung zu beseitigen.

Wohlan, Herr Lauterbach! Abmarsch in den Verteilungskampf mit den Ärzten und den Krankenkassen! Sie wären der erste Minister, der sich hier ins Schlachtfeld begibt. Ulla Schmidt hat die GOÄ erst gar nicht angefasst. Ihre Nachfolge Philipp Rösler, Daniel Bahr und Hermann Gröhe haben das Reformprojekt an die Pseudo-Selbstverwaltungen PKV und Bundesärztekammer abgeschoben, die bislang nur leere Hände haben präsentieren können.

Noch weit ambitionierter ist das Projekt einer integrierten Bedarfsplanung für ambulante und stationäre Medizin unter Einbeziehung von Prävention, Reha und Pflege. Dabei hat nicht einmal die isolierte Bedarfsplanung bei Vertragsärzten und Krankenhäusern jemals zielgerecht funktioniert.

Wunderwelten lassen sich im Maßstab 1 zu 87 in den alten Hamburger Hafenanlagen besichtigen. Aber der Wähler blickt nicht mit Kinderaugen auf die nächsten vier Jahre. Sondern meist mit einem ziemlich sicheren Gespür für das, was geht. Das hat die SPD derzeit völlig ausgeblendet.

helmut.laschet@springer.com

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Thomas Georg Schätzler 19.05.201712:29 Uhr

SPD - gesund, krank oder krass?

Einführung
Politische Parteien, die doch Krankheitsprobleme und Bewältigungsstrategien perspektivisch und innovativ begleiten sollen, schwadronieren gerne ebenso allgemein-abstrakt wie Medizin- und Versorgungs-bildungsfern von ''Gesundheit''. Dieser postfaktische Ansatz verunsichert unsere oftmals akut, chronisch, schwer oder unheilbar kranken Patientinnen und Patienten, bzw. stellt ihre Versorgung in Frage. So auch die gute, alte SPD. Ihr permanenter Gebrauch einer oft deplatzierten "Gesundheits"-Begrifflichkeit unterstellt bei Kranken, Behinderten und dysfunktionellen Patientinnen und Patienten unter anderem den unterschwelligen Vorwurf, sie hätten einfach nur nicht gesund genug gelebt. Sonst könnten sie doch auf notwendige Arzt- und Hausbesuche, pflegerische Maßnahmen und Medikamente eher verzichten.

Bürgerversicherung
Doch nun zur "Bürgerversicherung" der SPD. Diese ist in der Gesundheitspolitik der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ganz oben auf der Wahlkampfagenda platziert. Nicht nur SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach kündigt an, die Bürgerversicherung zum Wahlkampfthema zu machen. Auch SPD-Vize Ralf Stegner legte nach. "Ohne eine Verständigung auf eine Bürgerversicherung sollten die Sozialdemokraten nach der Bundestagswahl kein neues Bündnis mit der Union eingehen", sagte er.

Martin Schulz, Kanzlerkandidat?
Auch Martin Schulz, designierter Kanzlerkandidat, Parteivorsitzender und Hoffnungsträger (?) der SPD, setzt auf einen Gerechtigkeitswahlkampf. Dazu gehören neben einer paritätisch finanzierten Bürgerversicherung die Absage an die sogenannte Zwei-Klassen-Medizin.

Lauterbach & Co
Doch liebe SPD, so wird das auch mit Martin Schulz nichts mit dem Krankheits- und Gesundheitswesen! Denn der stets besserwisserisch-auftrumpfende SPD-Fraktionsvize Prof. Dr. med. Karl Lauterbach (Approbation als Arzt erst seit 2010 lt. Handbuch des Deutschen Bundestages) und der eher mürrisch-vorwurfsvolle SPD-Vize Ralf Stegner sind Garanten dafür, dass die SPD bei der nächsten Bundestagswahl unter ihren Erwartungen bleiben wird. Ausgerechnet Bürgerversicherung, Zwei-Klassen-Medizin, Chancengleichheit im Bildungssystem, gerechte Familienpolitik und Absinken des Rentenniveaus zum Wahlkampfthema machen zu wollen, kommt von Experten, die das alles mit der Schröder''schen "Agenda 2000" bereits vorexerziert, demontiert und zunichte gemacht haben.

Bürgerversicherung und Sozialpolitik konkret
1. Mit der Bürgerversicherung verdirbt man es sich mit allen Beamtinnen, Beamten und Beihilfeberechtigten im Öffentlichen Dienst. Die Private Krankenversicherung (PKV) und die Altersrückstellungen ihrer Mitglieder kann man nicht entschädigungslos enteignen. Außerdem müssten dann endlich auch die Beitragsbemessungsgrenze und die Freistellung sonstiger Einkünfte wegfallen, was die SPD geradezu in Panik versetzen würde.
2. Die Zwei-Klassen-Medizin wurde mit §12 Sozialgesetzbuch 5 (SGB V) "Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten" (WANZ-Prinzip wirtschaftlich, ausreichend, notwendig, zweckmäßig) auch und gerade von der SPD für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) eingeführt und zementiert. Systematisch überproportionale Zuzahlungen und finanzielle Extra-Belastungen bei unseren einkommensschwächsten Patienten sind die Folge. Alle gut verträglichen, nicht rezeptpflichtigen Präparate sind oft unerreichbare Selbstzahler-Leistungen.

Schere zwischen Arm und Reich
Die Schere zwischen Arm und Reich geht in Deutschland immer weiter auf. Jede/r, der/die mit Fingerspitzengefühl, emotionaler, sozialer und praktischer Intelligenz in der hausärztlichen Praxis arbeitet, wird das bestätigen können. Wie schaffen wir es, eine Balance von Solidarität, Selbstverantwortung und Subsidiarität in der Krankenversicherung herzustellen? O h n e dass sozial Schwache, Kranke, Alte, Junge, Kinder, Erwachsene, Reiche, Arme, Kluge und weniger Klu

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