Seit 40 Jahren kommt der Notarzt aus der Luft

Im November 1970 war "Christoph 1" noch ein Exot. Heute sind Rettungshubschrauber unentbehrlicher Teil der Rettungskette - zuletzt rund 97 000 Mal im Jahr.

Von Dieter Leopold Veröffentlicht:
Bei schweren Verkehrsunfällen wie hier auf der A 14 bei Halle werden Rettungshubschrauber angefordert.

Bei schweren Verkehrsunfällen wie hier auf der A 14 bei Halle werden Rettungshubschrauber angefordert.

© Schelhorn / imago

NEU-ISENBURG. Ein Jubiläum feiert die Luftrettung in Deutschland am 1. November 2010: An diesem Tag war vor 40 Jahren in München der erste zivile, ständig einsatzbereite Rettungshubschrauber "Christoph 1" in Dienst gestellt worden.

Mittlerweile sind Rettungshubschrauber aus der Notfallkette nicht mehr wegzudenken: Über 97 000 Einsätze haben die drei großen Luftrettungsorganisationen im vergangenen Jahr in Deutschland geflogen. Dies waren fast 1500 mehr als im Vorjahr. Die meisten Einsätze verzeichnete dabei der Rettungs-Helikopter in Berlin mit 2641 Starts, gefolgt von Aachen (2059 Flüge), Ludwigshafen (1916 Einsätze) und Wittlich (1830 Rettungsflüge).

Luftrettung im hoheitlichen Auftrag betreiben in Deutschland der Allgemeine Deutsche Automobil-Club (ADAC-Luftrettung) mit 33 Luftrettungszentren, die Deutsche Rettungsflugwacht (DRF Luftrettung) an 28 Zentren und das Bundesinnenministerium im Rahmen des Bevölkerungsschutzes und der Katastrophenhilfe an zwölf Stützpunkten.

Zahl der Verkehrstoten war drastisch gestiegen

Die Bundeswehr mit dem militärischen Such- und Rettungsdienst (SAR) hat sich aus finanziellen Gründen in den vergangenen Jahren vollständig aus der zivilen Luftrettung zurückgezogen. Die von ihr betriebenen Zentren haben ADAC und DRF übernommen.

Ursache für die Etablierung der Luftrettung vor 40 Jahren war die erschreckende Zunahme von Verkehrstoten Ende der 60er Jahre, nachdem der Straßenverkehr deutlich zugenommen hatte. Danach wurden in allen Bundesländern nach und nach Luftrettungszentren installiert.

Nach der Wiedervereinigung wurden auch in Ostdeutschland mehrere Luftrettungszentren eingerichtet. Schon am 12. Januar 1990 fand der erste deutsch-deutsche Rettungseinsatz statt. Im Juni 2008 wurde in Brandenburg (Perleberg) der letzte "weiße Fleck" in der Standortkarte geschlossen. Heute verfügt die Bundesrepublik über das dichteste Luftrettungsnetz weltweit.

111 Rettungs- und Intensiv-Helikopter der drei großen Rettungsorganisationen bringen von den Alpen (Murnau) bis zur Nordsee (Niebüll) und von der Eifel (Würselen) bis zur Lausitz (Bautzen) den Notarzt auf schnellstem Weg zum Patienten.

In der Bundesrepublik besitzt ein Betroffener Anspruch auf den Einsatz eines Rettungshubschraubers, wenn dies medizinisch erforderlich ist. An den Kosten für den Luftrettungsdienst von ADAC und DRF beteiligt sich der Staat nicht und leistet auch keine Subventionen. Apropos Geld: Rund drei Viertel der anfallenden Kosten erstatten die Sozialversicherungsträger wie Krankenkassen oder Berufsgenossenschaften über Benutzungsentgelte. Der Preis dafür bewegt sich pro Flugminute zwischen 40 und 50 Euro.

Hubschrauber muss binnen 15 Minuten am Unfallort sein

Die Vorgaben der Rettungsdienstgesetze der Bundesländer verlangen, dass der Rettungsdienst in den meisten Fällen binnen 10 bis 15 Minuten am Notfallort eintreffen muss. Die Hubschrauber werden bundesweit von den regionalen Rettungsleitstellen eingesetzt. Sie können jeweils über die einheitliche Notruf-Nummer 112 (in Baden-Württemberg und Bayern teilweise auch über die Nummer 19 222) erreicht werden.

Das reguläre Einsatzgebiet eines Rettungshelikopters, der eine Geschwindigkeit von bis zu 250 Stundenkilometern erreicht, umfasst einen Radius von 50 bis 70 Kilometern. Spätestens zwei Minuten nach seiner Alarmierung durch die Rettungsleitstelle ist der Hubschrauber in der Luft. Besetzt ist ein Rettungshelikopter in der Regel mit einem Piloten, einem Notarzt und einem Rettungsassistenten. Grundsätzlich bietet ein "Heli" Platz für die Aufnahme von bis zu zwei Patienten.

Allein die ADAC-Luftrettung hat seit 1970 mehr als 240 Millionen Euro in den Auf- und Ausbau der Luftrettung in Deutschland investiert. Das Bundesinnenministerium wandte allein seit dem Jahr 2005 rund 88 Millionen Euro für die Anschaffung von 16 Hubschraubern auf.

Seit der Etablierung der Luftrettung haben über 1,5 Millionen Menschen nach Unfällen oder Erkrankungen "Erste Hilfe" aus der Luft erhalten. Bei der Hälfte aller Einsätze handelte es sich um internistische Notfälle wie akute Herzerkrankung oder Schlaganfall. Zweithäufigster Anforderungsgrund sind - zahlenmäßig fast gleichrangig - Verkehrsunfälle und Unfälle bei der Arbeit, in der Freizeit oder zu Hause.

Rund 550 Notärzte, 250 Rettungsassistenten, 180 Piloten sowie 70 Techniker sind für die DRF Luftrettung im Einsatz. Die ADAC-Luftrettung beschäftigt mehr als 150 Mitarbeiter und kooperiert mit 800 Ärzten und 400 Rettungsassistenten.

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