Sozialgericht erteilt Stoppuhr-Pflege eine Absage
KÖLN (iss). Die Einstufung eines Patienten in die Pflegestufe III darf nicht daran scheitern, dass der ermittelte Hilfebedarf wenige Minuten unter dem vorgesehenen Mindestbedarf von 240 Minuten liegt.
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Bei der Entscheidung über die Pflegestufen kann es nicht um Sekunden und Minuten gehen, so ein aktuelles Urteil.
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Das hat das Sozialgericht Münster (SG) in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil entschieden.
Die Pflegekasse hatte einem halbseitig gelähmten und blinden Mann die Hochstufung von Pflegestufe II in Pflegestufe III verweigert. Der Grund: Ein ärztlicher Sachverständiger hatte für den Patienten, der rund um die Uhr auf die Hilfe seiner Ehefrau angewiesen ist, einen Pflegeaufwand von 232 Minuten ermittelt.
Der Klage des Mannes gegen die Entscheidung hatte Erfolg. "Das Unterschreiten der zeitlichen Schnittstelle um wenige Minuten kann der Zuerkennung der Pflegestufe III nicht entgegenstehen", urteilten die Richter.
Bei der Ermittlung des zeitlichen Umfangs für den grundpflegerischen Hilfebedarf handele es sich im Wesentlichen nur um eine "scheinrationale Größe".
Unter Beachtung der individuellen Pflegesituation, der individuellen Lebensgewohnheiten des Pflegebedürftigen und der unterschiedlichen Hilfeformen solle nach einem fiktiven, objektiven Maßstab der Zeitaufwand bemessen werden.
"Dies ist mit einer Stoppuhr nicht zu leisten", heißt es in dem Urteil. Die Richter verwiesen auch auf die Kritik am geltenden gesetzlichen Pflegebedürftigkeitsbegriff.
Az.: S 6 P 135/10