Südwest-KV krempelt Notfalldienst völlig um

Statt 380 nur noch 70 Bezirke: Die KV Baden-Württemberg ordnet ihren ärztlichen Notdienst neu. Die Pläne sind von der VV begeistert abgenickt worden. Was Ärzte erfreut, könnte zu Problemen für Patienten führen.

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Dem ärztlichen Notfalldienst in Baden-Württemberg steht eine Totalreform bevor.

Dem ärztlichen Notfalldienst in Baden-Württemberg steht eine Totalreform bevor.

© VRD / fotolia.com

Von Florian Staeck

STUTTGART. Künftig macht die KV es selbst: In Baden-Württemberg soll der ärztliche Notfalldienst völlig neu organisiert werden. Der KV-Vorstand hat am Mittwoch dazu grünes Licht von der Vertreterversammlung erhalten.

Seit fast einem Jahr ist KV-Vorstandsvize Dr. Johannes Fechner im Südwesten mit einer Mission unterwegs: Vertragsärzte, die unter der Belastung durch viele Notfalldienste ächzen, sollen entlastet werden.

Nach vielen Gesprächen kommt Fechner zu dem Fazit: "Der Notfalldienst ist selbst ein Patient", sagte der KV-Vize bei der Vertreterversammlung am Mittwoch in Stuttgart.

Nur noch 70 Notfallbezirke

Ursprünglich wollte die KV die Zahl der Notfalldienstbezirke von rund 400 auf 150 senken, ganz überwiegend die vorhandenen Strukturen aber beibehalten.

Das hat sich als nicht tragfähig erwiesen, weil die Belastung der Vertragsärzte weiterhin sehr ungleich verteilt wäre.

Etliche Notfalldienstpraxen arbeiteten unwirtschaftlich, zudem betrage das Stundenhonorar teilweise 25 Euro, berichtete Fechner. Jetzt hat der KV-Vorstand eine Kurswende eingeleitet und von der Vertreterversammlung dafür das Plazet bekommen.

Nur noch rund 70 Notfallbezirke soll es landesweit geben, in jedem Landkreis mindestens eine. Diese sollen in der Regel an Krankenhausambulanzen angebunden sein und als Eigeneinrichtungen der KV betrieben werden.

Vorgesehen ist, dass auch bestehende Notfallpraxen in KV-Eigeneinrichtungen überführt werden.

In den vergangenen Wochen war der innerärztliche Streit über die Reformpläne eskaliert. So wurden etwa selektiv Informationen über die angebliche Abschaffung bestehender Notfallpraxen an die Öffentlichkeit gespielt.

KV-Chef Metke reagierte ungehalten: Teile der Ärzteschaft müssten sich fragen, ob es richtig ist, die Öffentlichkeit in innerärztliche Debatten hineinzuziehen.

Der KV-Chef warnte, die Sicherstellung drohe rasch zu einer staatlichen Aufgabe zu werden, wenn Ärzte diesen Job nicht mehr in eigener Verantwortung organisieren.

KV setzt auf Freiwilligkeit

"Wir haben die Rückmeldung von den Kollegen bekommen: Die KV soll das übernehmen, wir können das organisatorisch nicht mehr stemmen", berichtete Fechner.

Leisten sollen die Arbeit in den KV-Eigeneinrichtungen ausschließlich Vertragsärzte, die sich freiwillig melden.

Zudem wird ein Vertreterpool rekrutiert, der sich aus Krankenhausärzten und Medizinern im Ruhestand zusammensetzt. Bezahlt werden sollen die Ärzte nach einem festen Stundensatz von 50 Euro.

Um das Vorhaben zu finanzieren, sieht der KV-Plan vor, entweder von allen Vertragsärzten eine prozentuale Sicherstellungspauschale (gemessen am Umsatz) oder eine Kopfpauschale zu erheben.

Je nach Finanzbedarf, der bei bis zu 50 Millionen Euro liegen könnte, wären das pro Vertragsarzt und Monat rund 190 Euro, rechnete Fechner vor.

Alternativ müsste zusätzlich zur KV-Umlage eine Sicherstellungsumlage etabliert werden, die bis zu 1,4 Prozent vom Umsatz betragen könnte.

Deutlich längere Anfahrtswege für Patienten

Die Krankenkassen haben zugesagt, sich an der Neuorganisation, Ausgestaltung und Finanzierung der neuen Notfalldienst-Struktur zu beteiligen, berichtete KV-Chef Dr. Norbert Metke.

Diese Beteiligung müsse substanziell sein, mahnten Delegierte. Denn 50 Euro für eine Arbeitsstunde in der Nacht seien "ein Witz", hieß es.

Mit der Reduzierung auf landesweit 70 Notfalldienstbezirke würden die Anfahrtswege für die Patienten deutlich länger werden.

Bürgermeister und der baden-württembergische Landkreistag haben bereits auf die früheren Reformpläne der KV, die noch von 150 Notfallpraxen ausgingen, aufgeschreckt reagiert und eine enge Abstimmung mit den Kommunen verlangt.

Diskutiert wurde dieser Aspekt von den Vertretern aber - noch - nicht.

In vielen KV-Regionen ist die Organisation des Notdienstes ein heißes Eisen. Umfragen belegen, dass für junge Ärzte die Belastung durch den Notfalldienst ein hartes Kriterium bei der Entscheidung für oder gegen die Niederlassung ist.

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