Versand-Verbot: Bayern lässt nicht locker

BERLIN (cw). Trotz Scheiterns vergleichbarer Versuche in der Vergangenheit nehmen Gesundheitspolitiker der Länder über den Bundesrat erneut Anlauf, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten. Neue Argumente in der Sache gibt es nicht.

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Seit 2004 ist der Versand verschreibungspflichtiger ebenso wie nicht-verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch zugelassene Versandapotheken in Deutschland erlaubt. Bayern, schon immer vehementer Gegner dieses Vertriebsweges, startete schon einmal, 2008 zusammen mit Sachsen und Berlin, im Bundesrat eine Gesetzesinititative, den Rx-Versand zu kippen.

Dafür fand sich damals jedoch weder in der Länderkammer eine Mehrheit, noch in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Jetzt hat Bayern das Thema wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Der Entwurf eines entsprechenden Änderungsantrages zur aktuellen Novellierung des Arzneimittelgesetzes (so genannte "16. AMG-Novelle") passierte kürzlich den Gesundheitsausschuss des Bundesrates mit lediglich zwei Gegenstimmen (Schleswig-Holstein und Bremen) und zwei Enthaltungen (Baden-Württemberg und Hamburg).

Allerdings muss die Beschlussempfehlung bei der nächsten Bundesratssitzung Ende März noch vom Plenum verabschiedet werden. Anschließend ist die Bundesregierung zur Stellungnahme aufgefordert.

Verfassungsrechtliche Bedenken

Hintergrund der jüngsten Initiative gegen den Rx-Versand sind die bislang vergeblichen Versuche, Medikamentenabholstellen ("Pick-up") zu verbieten. Zwar hatten CDU/CSU und FDP im Koalitionsvertrag die Absicht bekundet, diesen Modellen - Vorbild ist der "Pharma-Punkt" der dm-Drogerien - den Garaus zu machen.

Doch stellte sich das Justizministerium wiederholt mit verfassungsrechtlichen Bedenken quer.

Denn nachdem der Bundesgerichtshof 2008 der dm-Drogerie die Erlaubnis für deren Pick-up in Kooperation mit einer niederländischen Versandapotheke erteilt hatte und insbesondere keine Bedenken in Sachen Arzneimittelsicherheit sehen konnte, liegt die Latte für ein Pick-up-Verbot hoch: Eingriffe in die Berufsfreiheit bedürfen schwerer wiegender Gründe als jene vermeintlichen "Verwerfungen des Versandhandels", wie sie immer wieder von interessierten Kreisen, allen voran der Apothekervereinigung ABDA, gegen die Rezeptsammelstellen angeführt werden.

Altbackene Begründung

Mit dem Verbot des Rx-Versands will man nun in einem Aufwasch auch der Pick-up-Stellen Herr werden. Dabei dreht sich die Politik jedoch im Kreis. Denn für ein Verbot des Rx-Versands gelten die gleichen verfassungsrechtlichen Hürden.

Zudem mutet die Antrags-Begründung Bayerns recht altbacken an. Der Versandhandel erhöhe die Gefahr, dass gefälschte Arzneimittel zum Endverbraucher gelangen könnten. - Seit es den Arzneimittelversand in Deutschland gibt, wird von seinen Gegnern in dieser Weise argumentiert.

Dabei wurden Sicherheitsaspekte keineswegs vernachlässigt. So erlaubt etwa das 2009 eingeführte interaktive DIMDI-Siegel Verbrauchern, legale Versandapotheken online schnell zu identifizieren.

Mit der Umsetzung der 2011 verabschiedeten EU-Fälschungsrichtlinie werden randomisierte Seriennummern auf Pharmaverpackungen künftig für Transparenz über jede Stufe der Lieferkette hinweg sorgen.

BVDVA nimmt Antrag Bayerns ernst

Beim Bundesverband Deutscher Versandapotheken (BVDVA) verweist man außerdem auf die Tatsache, das die Arzneimittelsicherheit in der Vergangenheit vor allem durch das stationäre Apothekengeschäft in Frage gestellt wurde.

Etwa 2007, als die Staatsanwaltschaft Mannheim wegen mutmaßlichen Vertriebs nicht zugelassener Zytostatika gegen etwa 100 Apotheker aus dem gesamten Bundesgebiet ermittelte.

Obgleich der Antrag Bayerns rechtlich auf schwachen Füßen stehe, nehme man ihn doch ernst, heißt es seitens des BVDVA.

Dort überlegt man jetzt, bei den Wirtschaftsministerien der Länder und den Krankenkassen für den Rx-Versand zu werben. Bei den Gesundheitsministerien der Länder vorstellig zu werden, sei aussichtslos. Die wären inzwischen "fest in ABDA-Hand".

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