Wahlkampf mit der Praxisgebühr

Ulla Schmidt (SPD) hat sie gemeinsam mit den Grünen eingeführt: die Praxisgebühr. Doch im NRW-Wahlkampf erscheint es der rot-grünen Koalition populär, die Abschaffung der Zuzahlung zu fordern.

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Hannelore Kraft (SPD, l.) und Sylvia Löhrmann (Grüne) präsentieren das Wahlplakat gegen die Praxisgebühr.

Hannelore Kraft (SPD, l.) und Sylvia Löhrmann (Grüne) präsentieren das Wahlplakat gegen die Praxisgebühr.

© imago

DÜSSELDORF (akr). Sozialdemokraten und Grüne in Nordrhein-Westfalen haben mitten im Landtagswahlkampf eine Kampagne für die sofortige Abschaffung der Praxisgebühr gestartet.

Wenige Wochen vor der Wahl am 13. Mai stellten Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) und ihre Stellvertreterin Sylvia Löhrmann (Grüne) vor dem Düsseldorfer Landtag ein gemeinsames Plakat dazu vor. Außerdem wollen die beiden Parteien Unterschriften gegen die Praxisgebühr sammeln.

"Gemeinsam gegen Praxisgebühren - wir in NRW brechen die Blockade der Bundesregierung", steht auf dem Plakat, auf dem außerdem die Logos der Grünen und der SPD zu sehen sind.

Ein Signal nach Berlin

"Die Praxisgebühr hat sich nicht bewährt", sagte Löhrmann. "Wir wollen deutlich machen, dass die Wahl in Nordrhein-Westfalen auch ein sozialpolitisches Signal nach Berlin sein soll."

Die Steuerungswirkung, die sich die Politik von der Einführung der Praxisgebühr versprochen habe, sei nicht eingetreten. Sie habe nicht dazu geführt, dass weniger Menschen zum Arzt gehen. Aber sie halte vor allem sozial Schwache vom Arztbesuch ab.

Die Grünen und ihre Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens sowie die SPD unterstützen eine Bundesratsinitiative Hamburgs zur Abschaffung der Praxisgebühr, sagte Löhrmann.

Die Schulministerin kritisierte, dass ein großer Teil der Einnahmen in die Bürokratie fließe. "Die Versicherten sollen nicht für Kosten aufkommen, von denen sie keinen Nutzen haben", sagte sie.

Der Verwaltungsaufwand verursache Ausgaben von schätzungsweise 350 bis 500 Millionen Euro.

Chronisch Kranke benachteiligt

Die Praxisgebühr treffe besonders die chronisch Kranken, sagte Ministerpräsidentin Kraft. Sie hätten keine Wahl, sie müssten zum Arzt gehen.

"Für sie ist die Steuerungswirkung ja auch nicht gedacht gewesen", sagte sie. Jetzt müssten die Überschüsse der gesetzlichen Krankenkassen für die Abschaffung genutzt werden.

Die Praxisgebühr ist vor acht Jahren von der damaligen rot-grünen Bundesregierung unter Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) eingeführt worden.

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 04.05.201218:23 Uhr

"Diese retrograde Amnesie, die vergess'' ich nie ..."

möchte man dazu summen. Doch SPD und Grüne schienen damals nicht kreuzunglücklich mit der Praxisgebührenregelung für alle Arztpraxen und -Kontakte 1 x 10 € im Quartal und 1 x 10 € für die Notfallbehandlung zu sein. Zumal die dann folgenden Modelle des Deutschen Hausärzteverbandes mit Hausarztzentrierter Versorgung (HzV) und angemessenen Behandlungspauschalen, Lotsen- und Dokumentationsfunktionen von Politik, Medien und GKV-Kassen, allen voran Birgit Fischer (SPD), Ex-NRW-Landesministerin und dann BARMER/GEK-Vorstandsvorsitzende, bundesweit torpediert wurden.

Doch es ist niemals zu spät, vernünftige Neubewertungen zu treffen, zu planen und zu handeln. Oder eher technisch nach dem PDCA-System (Plan, Do, Check, Act) zu operieren. Die knapp 2-Milliarden teuren Praxisgebühren bleiben ein Verschiebebahnhof von GKV-Beiträgen zu Lasten der Verwaltungs-, Bürokratie- und Logistikkosten der Vertragsärzte. Wegen fehlender Steuerungsfunktion und Diskriminierung der gerade noch n i c h t beitragsfrei gestellten Patientinnen und Patienten mit vergleichsweise geringen Einkünften gehören sie abgeschafft.

Das haben sogar Bundeswirtschaftsminister und Kollege Dr. Rösler und Bundesgesundheitsminister Bahr von der FDP begriffen. Sie trauen sich nur nicht, es laut und deutlich auch der Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel von der CDU und dem südlichen Salon-Populisten Seehofer von der CCSU zu sagen.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Robert Herrlich 04.05.201216:29 Uhr

Praxisgebühr der CDU

Ulla Schmidt hat die Praxisgebühr eingeführt. Aber: Der damalige Sachverständigenrat im Gesundheitswesen hatte eine Praxisgebühr nur für den Fall vorgeschlagen, dass der Patient ohne vorherige Beratung beim Hausarzt direkt einen Facharzt aufsucht. Hier sollte vor allem der steuernde Effekt durch die Hausärzte gefördert werden. Ulla Schmidt hat sich dem angeschlossen. In den damals wegen der Zustimmung des Bundesrats erforderlichen Verhandlungen mit der CDU hat diese durchgesetzt, dass die Praxisgebühr in allen Arztpraxen zu erheben ist. Deshalb ist die Praxisgebühr beim Hausarzt allein eine Praxisgebühr der CDU. Mit den Jahren ist dies in Vergessenheit geraten und die CDU schweigt hierzu clever.

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