Vernetzte Versorgung

Warum bleibt es bei Ankündigungen?

Mehr Kooperation im Gesundheitswesen ist das Gebot der Stunde. Alle sind dafür – aber nur theoretisch. Ein Kongress in Kiel hat Ursachenforschung versucht.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Anhänger der Selbstverwaltung, aber wenn es sein muss auch ihr klarer Kritiker: Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg.

Anhänger der Selbstverwaltung, aber wenn es sein muss auch ihr klarer Kritiker: Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg.

© Hans-Jürgen Wiedl

KIEL. Alle wollen eine vernetze Zusammenarbeit im Gesundheitswesen, aber die Wege dorthin werden von den Beteiligten unterschiedlich beschrieben. Für die Partner der Selbstverwaltung reicht es nicht, nur auf den Gesetzgeber zu warten.

Deutlich wurde dies beim Kongress "Vernetzte Gesundheit" in Kiel, wo Schleswig-Holsteins Gesundheitsminister Dr. Heiner Garg (FDP) – ein ausgewiesener Anhänger der Selbstverwaltung – den Partnern ins Stammbuch schrieb: "Das geht mir ziemlich auf den Zeiger. Immer wenn es schwierig wird, heißt es von der Selbstverwaltung: Politik, regele das." Garg stellte klar: Die Politik sollte einen Rahmen setzen, ausfüllen muss diesen die Selbstverwaltung. Und das tut sie in Sachen Vernetzung bislang nicht zu seiner Zufriedenheit.

Mehr Pragmatismus in den Ländern

KBV-Chef Dr. Andreas Gassen konterte mit einem Beispiel aus dem Notdienst: Damit KVen Anrufern der 116.117 auch zu Sprechstundenzeiten Hilfe im Notdienst anbieten dürfen, ist eine Gesetzesänderung erforderlich. Dies ist lange bekannt – passiert ist nichts. Allerdings könnte hieran auch die Selbstverwaltung nicht unschuldig sein, wie Garg durchblicken ließ. Denn eine entsprechende Bundesratsinitiative ist zwar auf Betreiben einiger Bundesländer gescheitert, dies aber auch nach entsprechendem Druck aus der Selbstverwaltung.

Einig waren sich Gassen und Garg, dass sich Politik und Selbstverwaltung besser nicht als Konkurrenten, sondern als Player im gleichen System verstehen sollten. Ist es also gar keine Frage der Haltung, wie TK-Vorstand Thomas Ballast meint, wenn im deutschen Gesundheitswesen nicht gemeinsam und sektorenübergreifend an Lösungen in der Gesundheitsversorgung gearbeitet wird? Zumindest auf Bundesebene nimmt Ballast nicht die dafür erforderliche Bewegung wahr. Den Ländern immerhin bescheinigte er mehr Pragmatismus. Wo übergreifend an Vernetzungslösungen gearbeitet wird, sieht er dies allerdings eher als Ergebnis des Engagements einzelner Personen, weniger der Strukturen. Als Haupthindernis hat er das Fehlen entsprechender Anreize ausgemacht. Fest steht für ihn: "Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass es irgendwann keine Sektoren mehr geben wird."

Vernetzung ist aber auch eine Frage des Vertrauens, wie Michael Dieckmann, Vorstand bei der Ameos-Klinikgruppe, zu bedenken gab – und Vertrauen ist zwischen den Sektoren nicht generell vorhanden. Für seine Gruppe beschrieb Dieckmann die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten als "wesentlich für unsere Qualität". Er nimmt aber auch wahr, dass insbesondere wegen der zunehmenden Größe der Klinikkonzerne die Bedenken unter niedergelassenen Ärzten steigen: "Nicht in jeder Praxis ist Vertrauen vorhanden."

Wenig Zustimmung bei den anderen Experten fand Berater Dr. Helmut Hildebrandt mit seiner Ursachenanalyse. Für ihn ist die Vielzahl an Organisationen und Verbänden im Gesundheitswesen mit ihren zum Teil gegensätzlichen Interessen ein Hindernis für eine verzahnte Zusammenarbeit. Er wünscht sich eine Art "Generalunternehmer", der die erforderlichen Leistungen für den Patienten aus einer Hand garantiert – wie in vielen anderen Branchen üblich.

Lobbygruppen – Teil der Demokratie

"Wir tun im Gesundheitswesen oft so, als würden die Regeln des Wirtschaftslebens nicht gelten", kritisierte Hildebrandt. Experten wie Dr. Josef Düllings vom Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands halten das nicht für stichhaltig – schließlich gibt es solche Verbände in allen Branchen, und: "Lobbygruppen gehören zu einer Demokratie dazu." Auch Garg sieht in den Gruppen der Selbstverwaltung kein Problem. Hilfreich fände er aber, wenn diese sich auf ein gemeinsames regionales Budget einigen könnten, um daraus die richtigen Anreize für eine über die Sektoren hinweg vernetzte Zusammenarbeit zu setzen. Einen solchen Versuch gab es bereits in Gargs Bundesland – er war gescheitert, auch weil die Akteure sich nicht auf die Anreize einigen konnten.

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