Pflegeberufe

Wenn die Arbeit krank macht

Zu wenig Personal, zu viel Druck und zu geringe Bezahlung: Arbeit in der Pflege kann gesundheitsgefährdend sein, das zeigte der jüngste BKK-Gesundheitsreport. Das Problem ist dabei nicht nur, Pflegepersonal zu finden - sondern auch, es zu halten.

Julia FrischVon Julia Frisch Veröffentlicht:
Pflegekräfte stehen oft unter Druck. Viele reiben sich in ihrem Beruf auf, bis sie krank werden.

Pflegekräfte stehen oft unter Druck. Viele reiben sich in ihrem Beruf auf, bis sie krank werden.

© tibanna 79/Fotolia.com

Dass Beschäftigte in Gesundheitsberufen, vor allem in der Pflege, nicht nur unter physischen, sondern auch psychischen Belastungen leiden, ist seit langem bekannt. Die Ergebnisse des BKK-Gesundheitsreports 2016, wonach Altenpfleger die meisten AU-Tage aufgrund psychischer Störungen aufweisen, "waren nicht überraschend", sagt Franz Wagner, Vizepräsident des Deutschen Pflegerates.

Neu sei aber die Aussage im Gesundheitsreport gewesen, dass fast jeder zehnte Altenpfleger im vergangenen Jahr mindestens einmal ein Antidepressivum verordnet bekam. "Das unterstreicht, wie gravierend die Lage ist", so Wagner.

Ob Krankenhäuser, stationäre oder ambulante Pflegeeinrichtungen – sie haben inzwischen alle Probleme, Pflegepersonal zu finden. Dabei gibt es in Deutschland gar nicht mal zu wenig ausgebildete Pflegefachkräfte, sagen die Pflegeverbände einhellig. "Es gibt nur einen Mangel an Pflegefachpersonen, die bereit sind, zu den gegenwärtigen Bedingungen zu arbeiten", so Wagner. Es gebe Zehntausende, die nicht in ihrem Beruf arbeiten.

Gründe, den Job an den Nagel zu hängen

Fehlende Anerkennung, geringe Bezahlung, vor allem aber die hohe Arbeitsdichte durch Personalmangel in allen Einrichtungen führen dazu, dass Pflegende relativ früh ihren Beruf wieder aufgeben, "weil sie es nicht mehr aushalten", sagt Wagner. "Pflege ist für Fachkräfte mittlerweile nur noch Dauerlauf und Zeitdruck", berichtet auch Johanna Knüppel vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe.

Gesetzliche Pausen würden nicht sichergestellt, freie Tage, Urlaube und gesetzliche Ruhezeiten ständig ausgehebelt. "All das führt zu chronischer Erschöpfung, die Motivation sinkt. Wenn dann noch Geringschätzung etwa durch den Arbeitgeber, Vergütung unter Tarif und miserable Führung dazukommen, ist das eine gefährliche Mischung, die auf direktem Weg in gravierende berufsbedingte Erkrankung führt", so Knüppel.

Die hohe Arbeitsbelastung war für eine Berliner Kinderkrankenschwester einer der Gründe, nach knapp zehn Jahren ihren Job vorerst an den Nagel zu hängen. Die 34-jährige Mutter dreier Kinder arbeitet jetzt in der Verwaltung. "Man war nur von einem Patienten zum nächsten unterwegs und hatte immer Angst, Fehler zu machen", berichtet die Frau von den Auswirkungen, welche die personelle Unterbesetzung auf der Station hatte.

Ein Gesamtkonzept fehlt

So lange sich an den Personalschlüsseln in den Kliniken nichts ändere, werden Krankenhäuser es schwer haben, genügend Fachkräfte zu finden. Auch für mehr Geld würden sich Pfleger diesen Stress und diese Belastung nicht dauerhaft antun, sagt die Krankenschwester.

Die mangelhafte Personalausstattung in Kliniken, ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen wird deshalb schon seit Jahren von den Pflegeverbänden angeprangert. In der Politik habe man immerhin erkannt, dass es Probleme gibt, sagt Franz Wagner. Doch die Lösungen, die der Gesetzgeber über das Krankenhausstrukturgesetz (KHSG) oder das Pflegestärkungsgesetz anbiete, hält er für zu knapp bemessen und zu kurz gesprungen. "Man repariert an einzelnen Baustellen und es fehlt ein Gesamtkonzept", so Wagner.

Das Pflegeförderprogramm des Krankenhausstrukturgesetzes sei zwar schön, verbessere mit seinen durchschnittlich 2,5 Pflegestellen die Situation an den Kliniken nicht. Wolle man zudem die etwa 50 000 Pflegestellen, die in den Krankenhäusern in zehn Jahren abgebaut wurden, wieder besetzen, seien zwei Milliarden Euro pro Jahr und nicht nur 330 Millionen Euro wie ab 2018 geplant nötig.

Im Ansatz gut sei auch die Idee, den erhöhten Aufwand für pflegebedürftige Patienten besser in den Fallpauschalen abzubilden. Diese Erlöse, so Wagner, müssten dann aber auch der Pflege zugute kommen und dürften nicht für andere Dinge verwendet werden. Die Initiierung eines Personalbemessungsverfahrens für Pflegeheime sei zwar richtig, komme aber viel zu spät.

Mehr Investitionen in IT als in Personal?

Gefordert seien freilich auch die Bundesländer, die über die Personalschlüssel in den Pflegeheimen sowie über die Klinik-Investitionskosten in der Verantwortung seien. Darüber hinaus müssten freilich auch in den Krankenhäusern viele Weichen anders gestellt und Prioritäten anders gesetzt werden, sagt Wagner.

Es sei ein fragwürdiges Signal an die Pfleger, wenn Gelder in eine bessere IT anstatt in mehr Personal investiert werden. Viele Oberarztstellen seien zudem in den vergangenen Jahren in den Kliniken geschaffen worden, um Ärzte in den Häusern zu halten. Ein solches Engagement habe dagegen für die Pfleger gefehlt.

Laut aktuellem Gesundheitsreport der Betriebskrankenkassen weisen Altenpfleger mit Abstand die meisten Fehltage wegen psychischer Störungen auf: 4,5 AU-Tage je Beschäftigtem verzeichnet die Auswertung von rund neun Millionen BKK-Versichertendaten auf. Mit 3,4 AU-Tagen je Beschäftigtem folgen in der Statistik die Angestellten in der "Gesundheits- und Krankenpflege, im Rettungsdienst und der Geburtshilfe" auf dem vierten Platz.

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