"Wir halten ein Auge darauf, ob Reformen das System entwickeln"

Der BDI sieht viele dringende Baustellen im Gesundheitswesen. Das hat BDI-Chef Wolfgang Wesiack bei der Eröffnung des Internistenkongresses klargestellt. Wir dokumentieren Auszüge aus seiner Rede, die uns vorab zur Verfügung stand.

Von Wolfgang Wesiack

Ein gutes halbes Jahr ist vergangen, dass eine neue Bundesregierung ins Amt gekommen ist, die von vielen Ärzten unterstützt und gewählt wurde. Auch wenn sie seither mehr schöne, aber unverbindliche Worte vom neuen Gesundheitsminister Philipp Rösler gehört haben, so müssen wir feststellen, dass seine mündlich geäußerten Ziele jedenfalls deutlich sinnvoller sind als die ideologiegetränkte Politik seiner Vorgängerin.

Insofern, sehr verehrte Bundesministerin von der Leyen, bitte ich Sie, aus Wiesbaden ihrem Amtskollegen das Signal mitzunehmen, dass wir seine Politik nach wie vor unterstützen - auch und gerade gegen die nicht immer von Sachkenntnis getragene Kritik aus Bayern. Allerdings werden wir ein Auge darauf haben, dass die notwendigen Reformen des Gesundheitswesens der sinnvollen Weiterentwicklung des Systems dienen und nicht dessen Zerschlagung.

Dieser dringend nötige Umbau des Gesundheitswesens wird Zeit brauchen. Doch den Fakten kann sich auf Dauer keiner entziehen. Man schätzt, dass der Kostenanstieg im Gesundheitswesen allein durch die Zunahme des relevanten medizinischen Fortschritts jährlich bei fünf bis acht Prozent liegt. Das weiterhin fast unbegrenzte Leistungsversprechen der Politik bei begrenzten finanziellen Mitteln bringt das System an seine Grenzen. Priorisierung, heimliche und dann offene Rationierung sind die zwangsläufigen Folgen. Was wir aber wirklich brauchen, ist die Definition einer solidarischen Grund- oder Regelversorgung für alle und individuelle Zusatzversicherungen analog einer Haftpflichtversicherung, die in die freiwillige Entscheidung des mündigen Versicherten und Patienten gehören. Im jetzigen System der festen Budgets sind Ärzte in Klinik und Praxis Gefangene der sogenannten Ethikfalle: Sie müssen und wollen ihre Patienten auch dann behandeln, wenn die Budgets erfüllt sind. Die dann entstehen Kosten tragen sie selbst.

Welche Leistungen in eine Regelversorgung gehören, ist eine politische Frage. Wir Ärzte tun gut daran, uns hier zurück zu halten. Wir wollen jeden Kranken optimal und unter Ausnutzung aller medizinischen Möglichkeiten behandeln.

Ein weiteres zentrales Thema betrifft den Gesundheitsfonds. Der Fonds muss entweder aufgelöst oder unter Berücksichtigung von fairen Wettbewerbselementen für Kassen und Leistungserbringer neu definiert werden. Die wichtigsten Elemente eines Wettbewerbs von Versicherungen sind Leistungsinhalt und Finanzierung. Beides wird im Gesundheitsfonds und im Gesundheitswesen insgesamt festgeschrieben. Dass der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen nicht funktioniert, haben wir beim Thema Zusatzbeitrag erleben müssen. Wir müssen aus der Zentralisierung wieder heraus und echten, fairen Wettbewerb zulassen.

Ein letztes zentrales Thema ist der nicht mehr zu leugnende Ärztemangel. Der ärztliche Beruf muss wieder attraktiver werden - und dies ist keineswegs nur eine finanzielle Frage. Bürokratie, Kontrolle und geforderte Defensivmedizin mit Einengung der ärztlichen Tätigkeit sind für angehende Ärzte keine Argumente, ihren Beruf in Deutschland ausüben zu wollen. Nötig sind eine strukturierte Weiterbildung, die Stärkung des akademischen Mittelbaues in den Kliniken, die Berücksichtigung der Wünsche der nachfolgenden Ärzte bei ihrer Lebensplanung mit familienfreundlichen Arbeitszeiten und dem Ausbau der Kinderbetreuung.

Die Innere Medizin ist und bleibt das Kernfach der konservativen Medizin und hat als Fach nichts von ihrer Attraktivität verloren. Wir, DGIM und BDI, müssen dafür sorgen, dass dies auch in Zukunft so bleibt.

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