Der höfliche Doktor

Ärzte brauchen keinen Spezial-Knigge

Auch im Praxisalltag macht der Ton die Musik. Warum Ärzte dennoch keine besonderen Regeln für den Umgang mit Patienten brauchen, erklärt der Nachfahre des berühmte Knigge.

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Knigges Lebensthema: Über den Umgang mit Menschen.

Knigges Lebensthema: Über den Umgang mit Menschen.

© Steinach / imago

BONN. Für das Verhältnis zu ihren Patienten brauchen Ärzte keine besonderen Regeln. Sie sollten genauso freundlich oder höflich sein wie in allen anderen Lebensbereich auch, empfiehlt Moritz Freiherr Knigge, Geschäftsführender Gesellschafter der Freiherr Knigge OHG.

"Ich glaube nicht, dass man mit Patienten anders umgehen sollte als mit Kollegen oder der Familie", sagte Knigge auf dem "Gesundheitskongress des Westens 2013" in Bonn.

Entscheidend sei, dass der Arzt den Patienten mit Wertschätzung gegenüber tritt und sie ernst nimmt. "Ich muss den Menschen Interesse entgegen bringen", sagte Knigge, der ein Nachfahre von Adolph Freiherr Knigge ist, dem Autor des Werks "Über den Umgang mit Menschen".

Dazu gehöre es, die Patienten mit Namen und möglichst einem Lächeln zu begrüßen. Hat der Arzt ein schlechtes Namensgedächtnis und in der konkreten Situation auch keine Patientenunterlagen zur Hand, soll er das Problem ruhig thematisieren und beispielsweise sagen: "Ich bin schlecht mit Namen, nennen Sie mir Ihren bitte noch einmal."

Dann fühlt sich das Gegenüber ernst- und wahrgenommen. Das gelte auch für Nachfragen wie "Wie geht es Ihnen?" Ärzte würden ihm immer wieder berichten, dass sie das lieber nicht fragen, weil sie ohnehin keine Zeit für lange Ausführungen hätten, sagte Knigge.

Auch die Erlebnisqualität zählt

Holt der Patient zu weit aus, kann der Arzt ihn aber ruhig unter Verweis auf seinen Zeitdruck stoppen und dabei sein Bedauern ausdrücken, dass er nicht länger bleiben kann, sagte Knigge. Das sei für den Patienten viel besser, als wenn er überhaupt kein Interesse vonseiten des Arztes spürt.

"Wie beim Tür-Aufhalten geht es dabei nur um Sekunden, aber das ist richtig gut investierte Zeit", betonte der Berater für Umgangsformen.

Gerade weil Ärzte so wenig Zeit für die Patienten haben, sei es wichtig, dass Gespräche gut laufen, sagte der Anästhesist und Kinderarzt Dr. Thomas Beushausen, Vorstand der Stiftung Hannoversche Kinderheilanstalt. "Wenn das erste Gespräch nicht funktioniert, ist der nachträgliche Aufwand ungeheuer groß."

Zu den Grundregeln der guten Gesprächsführung gehört es für Beushausen, Augenhöhe mit dem Patienten herzustellen. Dazu müsse der Arzt sich setzen. "Auch wenn man hin- und her rutscht, ist das besser, als von oben herab zu sprechen", betonte er.

Im Gesundheitswesen machen sich die Akteure seiner Ansicht nach zu wenig Gedanken darüber, dass es neben der Struktur-, Prozess- und Ergebnis- auch eine Erlebnisqualität gibt. "Viele Menschen erkennen die Qualität der Medizin nicht, aber sie merken, wie ihnen begegnet wird." (iss)

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