Hochschule

Bye-bye, Lehrstuhl? Konzept zur Zukunft der Uni-Medizin

Steht die Unimedizin vor einer großen Reform? Die Junge Akademie hat einen Vorschlag zur Entschlackung vorgelegt – und bekommt Unterstützung.

Angela MisslbeckVon Angela Misslbeck Veröffentlicht:
Studierende im Hörsaal – auch sie sollen von einer Umstrukturierung profitieren.

Studierende im Hörsaal – auch sie sollen von einer Umstrukturierung profitieren.

© Monkeybusiness I. / panthermed

BERLIN. Um die Nachwuchsprobleme in der Medizinischen Forschung in Deutschland zu lösen, ist ein grundlegender Strukturwandel nötig. Davon zeigt sich die Vorstands-Chefin des Heidelberger Uniklinikums, Professor Annette Grüters-Kieslich, überzeugt.

Grüters-Kieslich unterstützt dabei ein Konzept, das junge Wissenschaftler selbst entwickelt haben. Sie fordert, dass medizinische Fakultäten sich künftig in kooperativ strukturierten Departments statt in hierarchisch gegliederten Lehrstühlen organisieren sollen.

Die Kaufmännische Direktorin der Uniklinik Tübingen, Gabriele Sonntag, bezeichnete diese Forderung beim Frühjahrsforum der Universitätsmedizin in Berlin als "Aufruf zu einer kleinen Revolution".

Verzicht auf den Mittelbau

Entwickelt hat das Konzept die Junge Akademie, eine Gruppe von Nachwuchswissenschaftlern verschiedener Disziplinen aus der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und der Deutschen Akademie für Naturforschung Leopoldina.

Die Forschergruppe hat auch die Kosten für diesen Umbau der deutschen Universitäten durchgerechnet und kam zu dem Ergebnis, das er sogar Einsparungen ermöglichen würde. "Das ist natürlich nicht eins zu eins auf die Universitätsmedizin übertragbar, aber ich glaube schon, dass wir Department-Strukturen entwickeln können, ohne dass das viel teurer sein muss", sagte Grüters-Kieslich.

Department-Konzept

  • Ablösung der traditionellen Lehrstuhl-Struktur durch kooperativ strukturierte Departments
  • Abschaffung des akademischen Mittelbaus, Fokus auf unterschiedliche Arten von Professuren
  • Ressourcen-Sharing von wissenschaftlichen Mitarbeitern, Personal, Material und Räumen

    Das Konzeptpapier der Jungen Akademie ist online verfügbar.

Das Department-Konzept verzichtet zugunsten von Professuren auf den akademischen Mittelbau. PostDoc- und Doktorandenstellen werden weitgehend durch unterschiedliche Professuren ersetzt. Auf Lebenszeit berufene Professoren teilen sich dabei die Ressourcen eines Departments – also wissenschaftliche Mitarbeiter, sonstiges Personal, Material und Räume – mit Professoren im sogenannten Tenure Track-Verfahren, die auf Zeit berufen werden. So soll eine heterogene Professorenschaft nach angelsächsischem Vorbild entstehen.

Auf diese Weise verbessere die Department-Struktur die Perspektiven hochqualifizierter junger Wissenschaftler und biete ihnen bereits in einer frühen Karrierephase attraktive Arbeitsbedingungen, die sich durch Zusammenarbeit auf Augenhöhe auszeichnen, meint Grüters-Kieslich. "Herzstück einer gelungenen Department-Struktur ist eine kooperative Zusammenarbeit unter den Professoren. Dass das nicht einfach ist, weiß ich wohl", sagte sie.

Auch Hausberufungen müssten dann ermöglicht werden. "Das ist nicht der einzige alte Zopf, der abgeschnitten werden muss, wenn man tatsächlich diesen Strukturwandel will", so die frühere Dekanin der Berliner Uniklinik Charité.

Doch ein Strukturwandel in der Universitätsmedizin ist Grüters-Kieslich zufolge dringend nötig, um die Nachwuchsprobleme in der medizinischen Forschung in Deutschland zu bewältigen. Sie verwies darauf, dass die Zahl der medizinischen Habilitationen deutschlandweit zurückgehe. "Die Ursache ist, dass es keine Perspektive gibt", glaubt sie. "Wenn unsere Ärztinnen und Ärzte kein Interesse mehr an Forschung haben, verlieren wir das Wichtigste, was wir für Forschung brauchen", warnte sie.

Chance, Profil zu zeigen

Das Fördermodell des Clinical Scientist der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für junge Mediziner in der Facharztweiterbildung bietet aus Grüters-Kieslichs Sicht zwar Anreize zur Forschungsförderung an Unikliniken. Auch das neue ergänzende Modell des Advanced Clinical Scientist für Mediziner nach der Facharztausbildung, das die DFG im März 2018 aufgelegt hat, unterstützt ihrer Meinung nach diese Anreize.

Doch bei der Entwicklung neuer Forschungsstrukturen zur Nachwuchsförderung sieht Grüters-Kieslich letztlich die Uniklinika selbst in der Pflicht. Sie appellierte an den Verband der Uniklinika Deutschlands (vud) und den Medizinischen Fakultätentag, ein gemeinsames Konzept vorzulegen. Das sei auch eine Chance, Profil zu zeigen. "Wenn wir es nicht tun, wird es niemand anders machen."

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