Leser-Umfrage zum Rezeptformular

Der Kassenstempel nervt!

Was halten Ärzte von den neuesten Anforderungen an den Arztstempel? Wir haben unsere Leser gefragt. Das Fazit: Die Verärgerung über einmal mehr bürokratischen Aufwand überwiegt.

Veröffentlicht:
Apotheker nehmen nur vollständig ausgefüllte Rezepte entgegen, sonst verlieren sie Geld.

Apotheker nehmen nur vollständig ausgefüllte Rezepte entgegen, sonst verlieren sie Geld.

© pixelfokus / Fotolia .com

NEU-ISENBURG. Seit 1. Juli gelten neue Formvorgaben für Arzneimittelrezepte: Den Formularen müssen jetzt Telefonnummer und Arzt-Vorname zu entnehmen sein.

Die Apotheker verärgert die Neuregelung, befürchten sie doch, von den Kassen retaxiert zu werden, wenn sie unvollständig ausgefüllte Rezepte bedienen.

Wir wollten von unseren Lesern wissen, was sie von den neuen Formvorgaben halten, ob sie die Retax-Ängste der Apotheker nachvollziehen können, und ob es auch in ihrem Sprengel schon zu Rezept-Rückläufern wegen Formfehlern gekommen ist.

Einige haben geantwortet - von Empörung ("bürokratischer Schildbürgerstreich") bis zu Solidarität mit den von Retax-Neuralgie geplagten Apothekern ist alles dabei:

Dr. Raimund Jindrich, Facharzt für Innere Medizin und Diabetologie aus Friedberg: "Natürlich hat uns ‚der Kassenstempel‘ wieder einmal zum Quartalsanfang sämtliche Nerven gekostet. IT und Verwaltung verschlingen sowieso langsam unser gesamtes Einkommen. Nicht zuletzt Manpower und Zeit für die Behandlung chronisch kranker Menschen. Dies ist wieder mal Ausdruck dafür, dass es viel zu viele Lobbyisten und Theoretiker gibt, die nicht den Hauch einer Ahnung davon haben, wie es an der ‚Front‘ ausschaut."

Dr. Michael Obladen, Allgemeinmediziner in Bremervörde: "Ja, auch unser Hausapotheker hat uns am 3. Juli einen circa 20 cm hohen Stapel Rezepte in die Praxis zurückgebracht, weil auf unserem Gemeinschaftspraxisstempel die Vornamen fehlten, die Telefonnummer hatten wir schon immer vermerkt. Ich frage mich allerdings, wozu dieser bürokratische Schildbürgerstreich gut sein soll. Über die LANR ist der ausstellende Arzt eindeutig identifizierbar, insofern trägt der zusätzlich zu vermerkende Vorname sicher nicht zur eindeutigen Identifikation bei."

Dr. Beatrix Faulhaber, Fachärztin für Anästhesie in Köln: "Es ist keine Übertreibung der Apotheker, dass die Rezepte vollständig ausgefüllt sein müssen. Die Kassen bezahlen die unvollständigen Rezepte nicht. Die Apotheker büßen also eventuell viel Geld ein und haben den Ärger mit den Patienten vor Ort. Unberücksichtigt bleibt dabei die Zeit, die vom Apotheker und seinen Angestellten mit ‚unnötigen‘ Telefonaten vertan wird."

Dr. Erhard Eberl, Allgemeinarzt mit Gemeinschaftspraxis in Nörten-Hardenberg: "Aus Angst vor Retaxierungen hat auch bei uns die Apothekerin angerufen. Unser Rezeptstempeldruck war vorher schon in Ordnung, nur das Unterschreiben in Vertretung gefiel ihr nicht. Das bleibt bei uns aber so wie bisher. Im übrigen soll mal der Apthekerverein anständige Verträge bezüglich der Retaxierungswelle aushandeln und nicht alles willig unterschreiben, was so von den Kassen auf den Tisch kommt."

Folkmar Biniarz, Leiter des Senovum-Pflegeheims in Freiburg im Breisgau: "Wenn es in einer Stadt mehrere Ärzte namens Müller gibt, ist es doch logisch, die Differenzierung durch die Vornamen vorzunehmen. Und die Telefonnummer ist genauso wichtig, wenn der Apotheker Rückfragen an den rezeptausstellenden Arzt hat. Also, die Vorgaben sind richtig und sinnvoll. Und selbstverständlich. Wir sollten wichtigere Themen diskutieren."

Dr. Dirk Schaumann, Internist in Hameln: "Wegen Vorname und Telefonnummer wurden wir noch nicht kontaktiert. Wir leiden unter zwei weiteren ‚Spielchen‘ der Apotheken: Erstens wird jede Verordnung einer doppelten Packungsgröße reklamiert und um zweite Unterschrift plus Stempel gebeten. Zweitens kommen auch ausserhalb der Arbeitszeit über die angegebene Telefonnummer Rückmeldungen, das Informationssystem der Apotheke habe eine kritische Interaktion ausgewiesen - auf dem Niveau von ‚Blutdruckmittel können zu Hypotonie führen, vor allem in Kombination‘. Wir finden beide Vorgänge wegen der Häufung äußerst störend und haben bisher keine Abhilfe gefunden." (cw)

Lesen Sie hier weitere Kommentare von Online-Lesern.

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Kommentare
Dr. Henning Fischer 15.07.201522:21 Uhr

das hier gehört auf JEDES Rezept:


"DREI FLÜCHE AUF ULLA SCHMIDT"

die uns diesen ganzen Mist mit aut-idem und Rabattverträgen beschert hat, der uns immer und immer wieder täglich nervt und unnötig Arbeitskraft vergeudet

und Patienten gefährdet



Jörg Dähn 15.07.201517:44 Uhr

Jetzt Bürokratieabbau!

BSNR und LANR können jetzt ja vom Rezept wieder runter. Kompletter Name und Vorname sind jetzt ja drauf.

( Ob der Apotheker bei uns immer telefonisch durchkommt, weiß ich nicht. Das schaffen ja viele Patienten auch nicht. Insofern ist diese ganze Maßnahme Augenwischerei.

Wenns dringlich war, hat es aber bisher jeder Apotheker auch so geschafft.

Aber vielleicht kommt ja demnächst jemand auf die schlaue Idee, die Mobilfunknummer auf dem Rezept zu fordern :-) )

Dr. Florian Baier 15.07.201512:24 Uhr

Retaxierung ist ein Skandal

Es ist eine Schande, daß die Kostenübernahme von nützlichen und indizierten Leistungen von Seiten der Kassen immer wieder wegen sogenannten "Formfehlern" abgelehnt werden kann.
Dasselbe erleben wir Hausärzte täglich bei Verordnungen für Physiotherapie und Häusliche Krankenpflege: eindeutig indizierte Leistungen werden nicht bezahlt weil irgendwo ein Kreuz an der falschen Stelle sitzt.
Marktführer bei dieser Art von Spielchen und Sparmaßnahmen ist hier in unserer Region die AOK, aber auch die Anderen sind nicht besser.
Nach Art von Inkassobüros und Abmahnanwälten werden von Profis unsere Verordnungen auf vermeintliche "Fehler" durchgesehen um dann wieder ein paar Prozent im eigenen Ressort herauszusparen.
Wir sollten alle nach Berlin gehen zum Demonstrieren um der ständigen buchhalterischen Gängelei der Ärzteschaft endlich ein Ende zu bereiten !!!
(Bin gespannt ob mein Beitrag veröffentlicht wird)

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