Europäischer Gerichtshof

Der Meerrettich und fehlerhafte Gesundheitstipps

Zeitungen geben ihren Lesern gerne Gesundheitstipps. Geht ein solcher nach hinten los, lässt sich der Verlag jedoch nicht verschuldensunabhängig in Regress nehmen.

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Luxemburg. Ein fehlerhafter Gesundheitstipp in einer Zeitung macht nicht gleich aus der ganzen Zeitung ein „fehlerhaftes Produkt“. Leser können sich daher nicht auf die verbraucherfreundliche „verschuldensunabhängige Produkthaftung“ berufen, wie kürzlich der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschied.

Im Streitfall geht es um einen der täglichen Gesundheitstipps von „Kräuterpfarrer Benedikt“ in der österreichischen „Kronen-Zeitung“. Darin wurde „frisch gerissener Kren“ (österreichisch für Meerrettich) zur Linderung von Rheumaschmerzen empfohlen. Betroffene Stellen einölen und dann den frisch geriebenen Kren darauflegen, so der Tipp. „Diese Auflage kann man durchaus zwei bis fünf Stunden oben lassen“.

Tatsächlich hätte es zwei bis fünf Minuten heißen müssen. Eine Leserin, die nach drei Stunden Meerrettich-Auflage auf dem Fußgelenk Schmerzen und einen toxischen Hautausschlag bekommen hatte, forderte Schadenersatz. Sie argumentierte, die Zeitung sei ein „fehlerhaftes Produkt“ gewesen. Verlag, Druckerei und Autor müssten daher als Hersteller haften – unabhängig davon, wem die fehlerhafte Berichterstattung konkret zuzurechnen ist.

Dem folgte der EuGH nicht. Die verschuldensunabhängige Haftung beziehe sich auf das „körperliche“ Produkt. Die Gesundheitstipps seien eine Dienstleistung. Nur die sei fehlerhaft gewesen, nicht aber die Zeitung als ihr „körperlicher Träger“. Ob eine Haftung nach anderen Vorschriften in Betracht kommt, müssen nun die österreichischen Gerichte noch prüfen. (mwo)

Europäischer Gerichtshof, Az.: C-65-20

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