Geld anlegen

EU-Cloud: Papiertiger oder Gefahr für Google?

Mit „Gaia-X“ will die EU dieVormachtstellung der Cloudanbieter Amazon, Google und Microsoft brechen. Analysten haben bewerte, ob sie eine Gefahr für Umsatz- und Gewinnentwicklung der US-Giganten ist.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Wo wird die Datenflut gespeichert? Die Europäer bauen jetzt eine eigene Cloud, um die Abhängigkeit von US-IT-Riesen zu verringern.

Wo wird die Datenflut gespeichert? Die Europäer bauen jetzt eine eigene Cloud, um die Abhängigkeit von US-IT-Riesen zu verringern.

© asrawolf / stock.adobe.com

Neu-Isenburg. Es ist eines der größten Internet-Projekte der EU: Mit Gaia-X wollen die Mitgliedsstaaten einen europäischen Cloud-Anbieter schaffen, damit Unternehmen diesseits des Atlantiks ihre Daten nicht mehr ausländischen Konzernen anvertrauen müssen. Für Anleger stellt sich die Frage, ob das Vorhaben die Gewinne und Aktienkurse der US-Giganten Amazon, Google und Microsoft schrumpfen lassen wird.

Auftragseingänge, Warenbestand, Auslieferungen, Forschung: Unternehmen müssen immer größere Datenmengen bewältigen. Weil dies die Kapazität selbst großer Server überlastet, mieten immer mehr Konzerne Speicherplatz in der sogenannten Cloud, zu deutsch Wolke, an. Dahinter stehen riesige, über das Internet verbundene Computernetzwerke, die unbegrenzte Mengen digitaler Informationen verwalten können. Nach einer Umfrage des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom) nutzten 2019 bereits 73 Prozent der Unternehmen in Deutschland Rechenleistungen aus der Cloud.

Waffe im Handelskrieg

Das Problem für die europäische Wirtschaft: Die großen Cloud-Anbieter sind drei US-Konzerne. Amazon, Google und Microsoft dominieren weltweit den Markt. Lediglich in China ist der landeseigene Alibaba-Konzern der Platzhirsch. Das birgt etliche Risiken. Zum einen könnten US-Geheimdienste sensible Forschungsdaten europäischer Unternehmen ausspähen und an eigene Konzerne weitergeben. Zum anderen könnte bei einem Handelskrieg die US-Regierung ihren Cloud-Anbietern untersagen, den Service weiterhin in der EU zur Verfügung zu stellen. Geschehen ist dies bereits: US-Präsident Donald Trump verbot Google, sein Android-Betriebssystem samt Cloud-Diensten weiterhin an den chinesischen Smartphone-Hersteller Huawei zu liefern.

Die EU hat deshalb im Juni Gaia-X auf den Weg gebracht: Eine Organisation mit Sitz in Brüssel, die eine Datenwolke speziell für europäische Firmen schaffen soll, abgeschottet gegen den Zugriff fremder Spionagedienste. Mit im Boot: BMW, Bosch, die Deutsche Telekom, Siemens sowie französische Konzerne wie der Softwarekonzern Amadeus und das Telekommunikationsunternehmen Orange.

„Gaia-X kann eine starke Antwort auf die Bedrohung unserer digitalen Souveränität sein“, sagt Oliver Grün, Präsident des Bundesverbands IT-Mittelstand (BITMi). „Gaia-X ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer europäischen Cloud- und Dateninfrastruktur“, ist auch Bitkom-Präsident Achim Berg überzeugt. „Für 79 Prozent der deutschen Unternehmen ist bei der Nutzung von Cloud-Diensten eine transparente Sicherheitsarchitektur essenziell.“ Gelingt es dem EU-Projekt, die digitale Vormachtstellung der US-Konzerne zu brechen, könnte dies ihren Umsatz, Gewinn und letztendlich ihre Börsennotierungen unter Druck bringen. Anleger könnten in diesem Fall gut beraten sein, Aktien von Amazon, der Google-Mutter Alphabet und Microsoft abzustoßen, bevor Gaia-X zum starken Mitbewerber wird.

Kaufempfehlungen reißen nicht ab

Experten geben allerdings Entwarnung. „Das Projekt wird die Vorherrschaft der US-Anbieter nicht brechen“, sagt Adrian Roestel, Investmentstratege bei der Münchner Vermögensverwaltung Huber, Reuss & Kollegen. Dies liege „vor allem an den sehr weit entwickelten technischen Möglichkeiten der US-Konkurrenten“, die über Jahre hinweg die nötige Infrastruktur geschaffen und Fachwissen angesammelt hätten. Der „hohe Investitionsbedarf“ und der „Innovations-Vorsprung der US-Anbieter schließen den Aufbau eines vergleichbaren deutschen oder europäischen Konkurrenz-Players so gut wie aus“, analysiert Frank Riemensprenger, Deutschland-Chef der Unternehmensberatung Accenture, in einem Gastbeitrag für das Fachmagazin Computerwoche.

Auch Aktienanalysten sehen die Position der US-Konzerne nicht gefährdet. Für die Papiere von Alphabet, Amazon und Microsoft gibt es aktuell nur Kaufempfehlungen. „Aus Anlegersicht bleiben die US-Unternehmen erste Wahl“, sagt Roestel. Alphabet und Amazon zahlen allerdings keine Dividende, weil sie ihre Gewinne in den Ausbau ihrer Dienstleistungen reinvestieren. Anders ist dies bei Microsoft. Der Softwarekonzern hat in diesem Sommer das 17. Jahr in Folge seine Dividende angehoben. Für Anleger, die auf einen europäischen Cloud-Anbieter setzen wollen, ist die Aktie der Deutsche Telekom interessant. Der Telekommunikationskonzern zählt zu den größten der kleinen Wolken-Dienstleister Europas. Im dritten Quartal stieg der Umsatz um 31,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum, der Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen um 49,6 Prozent auf 9,7 Milliarden Euro.

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