Finanzsituation der Sozialen Pflegeversicherung
BKK Dachverband: Pflege benötigt rasch bis zu 0,2 Beitragspunkte mehr
Die Beitragserhöhung zu Jahresbeginn hat in der Pflegeversicherung nicht ausgereicht. Das Defizit könnte in diesem Jahr auf 1,7 Milliarden Euro steigen, derweil schrumpfen die Rücklagen.
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In diesem Jahr könnte das Defizit in der Sozialen Pflegeversicherung auf 1,7 Milliarden Euro steigen – der BKK Dachverband dringt auf eine kurzfristige Beitragssatzerhöhung.
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Berlin. Das Defizit der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) könnte sich im laufenden Jahr auf rund 1,7 Milliarden Euro addieren. Der BKK Dachverband fordert daher, den Beitragssatz rasch um 0,15 bis 0,2 Beitragspunkte zu erhöhen. Die Erhöhung zu Jahresbeginn um 0,2 Punkte habe nicht ausgereicht, um die Ausgaben vollständig zu decken, heißt es zur Begründung.
„Die finanzielle Stabilität der SPV steht auf dem Spiel und wir können es uns nicht mehr leisten, das Problem auf die lange Bank zu schieben. Eine Anhebung des Beitragssatzes um 0,15 bis 0,2 Beitragssatzpunkte erscheint zur kurzfristigen Stabilisierung der dramatischen Finanzlage unvermeidbar“, sagt Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbands, der Ärzte Zeitung.
Aufs Jahr gesehen würden zusätzlich 0,15 Beitragspunkte Mehreinnahmen in Höhe von 2,83 Milliarden Euro bedeuten (0,2 Punkte: rund 3,8 Milliarden Euro). Doch selbst wenn diese Erhöhung bereits zum 1. Juni umgesetzt würde, würde das Beitragsplus für das Restjahr 2025 nur noch 1,65 Milliarden Euro betragen (0,2 Punkte: 2,2 Milliarden Euro).
Erwartet werden in der SPV dieses Jahr Einnahmen von etwa 73,4 Milliarden Euro, die Ausgaben werden vom BKK Dachverband auf rund 75,1 Milliarden Euro geschätzt. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr war bei den Pflegekassen ein Gesamtdefizit von etwa 1,5 Milliarden Euro aufgelaufen. Und das, obwohl die Einnahmen der SPV je Versicherten eigentlich kräftig steigen: Im laufenden Jahr werden Einnahmen von 983 Euro je Kopf erwartet, im Vorjahr waren es noch knapp 895 Euro.
450.000 mehr Leistungsempfänger in diesem Jahr
Doch die Ausgaben steigen noch schneller: Der BKK Dachverband erwartet je Versicherten eine Zunahme um 9,9 Prozent von etwa 915 (2024) auf 1.005 Euro. Grund dafür ist auch die starke Zunahme der Zahl der Leistungsempfänger. Hier wird für 2025 ein Plus von zusätzlich 450.000 erwartet. Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt demnach um acht Prozent auf dann knapp 6,1 Millionen (2024: 5,64 Millionen).
Die Entwicklung verschärft die Finanzsituation der Pflegekassen immer weiter. Anfang März war bekannt geworden, dass die erste Pflegekasse Finanzhilfen beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) beantragt hat. Nach der sogenannten Pflegekassen-Finanzhilfeverordnung (PK-FhV) können dabei einmalige oder wiederholte Abschlagszahlungen vom BAS festgesetzt werden, um finanziellen Engpässen oder drohende Zahlungsunfähigkeit zu verhindern.
BAS kann kurzfristig durch Ausgleichsfonds Liquidität erhöhen
Bereits in der Vergangenheit ist vom BAS an den Regularien des monatlichen Finanzausgleichs gedreht worden, mit dem insbesondere die unterschiedlichen Ausgabenbelastungen der einzelnen Pflegekassen ausgeglichen werden sollen. Dieser Ausgleichsfonds hat den Charakter einer kassenübergreifenden Schwankungsreserve. Bei Liquiditätsengpässen können die Pflegekassen angewiesen werden, ihre Betriebsmittel und Rücklagen immer weiter herunterzufahren. Dadurch bleibt das Gesamtsystem finanziell liquide – freilich um den Preis, dass schon mittelfristig bei einzelnen Pflegekassen nicht mehr ausreichend Geld zur vollständigen Ausgabendeckung zur Verfügung steht.
Doch was geschieht, wenn die Mittel der SPV und des Ausgleichsfonds nicht mehr ausreichen? Was für die SPV bisher fehlt, ist eine analoge Regelung, wie sie in der gesetzlichen Krankenversicherung existiert: Paragraf 271 Absatz 3 SGB V eröffnet dort bei Liquiditätsengpässen die Möglichkeit für ein Bundesdarlehen zugunsten des Gesundheitsfonds.
Jenseits der kurzfristigen finanziellen Stabilisierung müsse es das eigentliche Ziel sein, die Beitragszahler dauerhaft zu entlasten – versicherungsfremde Leistungen müssten konsequent aus Steuermitteln finanziert werden, fordert Anne-Kathrin Klemm. „Parallel dazu brauchen wir dringend eine umfassende Pflegereform, die auch die ambulante und häusliche Pflege stärkt und das Thema Pflegeprävention als tragende Säule für die Zukunft integriert. Nur so können wir Pflegebedürftigkeit hinauszögern oder gar vermeiden und das System langfristig entlasten“, so die Vorständin des BKK Dachverbands. (fst)