Weiterbildung

Ein hart erkämpfter Mini-Kompromiss

Der Eklat zwischen Praxis- und Klinik-Ärzten konnte nur knapp abgewendet werden: Die Delegierten stimmten über einen Konsensantrag ab. Doch die Minimal-Einigung steht unter einem Vorbehalt.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Brauchten viel Sitzfleisch in den vergangenen Tagen: der BÄK-Vorstand und die Delegierten des 116. Ärztetags.

Brauchten viel Sitzfleisch in den vergangenen Tagen: der BÄK-Vorstand und die Delegierten des 116. Ärztetags.

© Preuss

HANNOVER. "Wenn Du nicht mehr weiter weißt, dann gründe einen Arbeitskreis" - das könnte das Motto des 116. Ärztetags in Hannover gewesen sein.

Denn der Streit um die künftigen Regelungen für die Weiterbildung in der ambulanten Versorgung konnte erst nach einem Spitzengespräch in einem Arbeitskreis gelöst werden.

Die über zwei Tage dauernde emotionale Debatte hatte die Gräben zwischen Vertretern von Marburger Bund (MB) und niedergelassenen Ärzten weit aufgerissen.

Nach 6,5 Stunden Verhandlungen hinter verschlossenen Türen unter der Leitung von Dr. Theodor Windhorst, Kammerchef in Westfalen- Lippe, stand ein Kompromiss, mit dem die Kontrahenten - die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der MB - leben können: Das Wort "Pflichtweiterbildung" kommt im Text nicht mehr vor.

Jetzt heißt es: "In einer Muster-Weiterbildungsordnung müssen nur in der ambulanten Versorgung vermittelbare Kompetenzen und Inhalte in der ambulanten Versorgung, nur in der stationären Versorgung vermittelbare Kompetenzen und Inhalte in der stationären Versorgung vermittelt werden."

"Es ist ein Zeichen, dass wir ambulant und stationär endlich verflochten haben", erklärte Windhorst.

Den Ärztetag gerettet

Auch der Vorsitzende der Weiterbildungsgremien bei der BÄK, Schleswig-Holsteins Kammerchef Dr. Franz-Joseph Bartmann, zeigte sich erleichtert: "Sie haben den Ärztetag gerettet."

Zu den Teilnehmern des Arbeitskreises gehörten als Vertreter des MB Vorsitzender Rudolf Henke, MB-Vize Dr. Andreas Botzlar und Dr. Hans-Albert Gehle. Für die KBV verhandelten Dr. Stefan Windau, Dr. Norbert Metke sowie KBV-Vize Regina Feldmann.

KBV-Chef Dr. Andreas Köhler war wegen Verhandlungen in Berlin am Donnerstag verhindert. Ebenso am Tisch saßen BDI-Chef Dr. Wolfgang Wesiack, Hausärzte-Chef Ulrich Weigelt, Heinrich sowie Dr. Klaus Reinhardt für den Hartmannbund.

Die Delegierten stimmten mit großer Mehrheit dem Vorstandsantrag der BÄK sowie dem Antrag der Arbeitsgruppe mit dem Titel "IV - 38 neu" zu.

Bereits im Vorfeld hatte es auf der Hauptversammlung des Marburger Bundes sowie bei der KBV-Vertreteversammlung heftige Diskussionen über die ambulante Pflichtweiterbildung in patientennahen Fächern gegeben.

Auf dem Ärztetag hatte sich am Mittwochnachmittag ein heftiges Rededuell zwischen KBV-Chef Dr. Andreas Köhler und MB-Vize Dr. Andreas Botzlar entwickelt.

Köhler, der als Gast das Rederecht auf dem Ärztetag zugesprochen bekam, beteuerte mehrfach, dass sich das KV-System bei den Inhalten der Weiterbildung in die Hoheit der Kammern nicht einmischen wolle. "Denn dann könnten die Kassen mitreden. Das will niemand!"

Darauf MB-Vize Botzlar: "Mir fehlt der Glaube an das, was da geschrieben steht." Man würde Krieg an allen Fronten erklären, so Botzlar, Buh-Rufe aus dem Saal folgten.

Kreide gefressen

Die Diskussion zwischen Klinik- und Praxis-Ärzten ließ sich weder am Mittwochnachmittag noch am Donnerstagvormittag beruhigen. Erneute Irritationen erzeugte Botzlar am Donnerstagvormittag mit einer besonnenen Rede.

"Der hat Kreide gefressen", war einer der netteren Kommentare, die man auf den Fluren des Kongresszentrums hören konnte.

MB-Chef Rudolf Henke selbst war vorher bereits als "Staatsmann" aufgetreten - eine Rollenverteilung zwischen Vorsitzendem und Vize, die viele Delegierte süffisant kommentierten.

aden-Württembergs Kammerchef Dr. Ulrich Clever analysierte: "Es gibt Schwierigkeiten im Sprachverständnis zwischen Kammer- und KV-System". Und Südwest-KV-Chef Norbert Metke warnte: "Die Politik wird sich das Recht holen, die Ausbildungsordnungen selbst zu organisieren".

Der Nervositäts-Pegel stieg noch einmal am Donnerstagmittag - während Montgomery in der Pressekonferenz noch erklärte, er sei guter Hoffnung, das schell ein Kompromiss vorläge, wurden bereits zu dem Zeitpunkt unüberbrückbare Differenzen deutlich. Es war der Beginn von 6,5-stündigen Verhandlungen.

Als Hausärztechef Dr. Ulrich Weigelt kurz vor 18 Uhr wieder ins Plenum zurückkehrte, legte er zunächst den Kopf auf den Tisch - als Zeichen an seine Anhänger für anstrengende Verhandlungen.

Vergütung, wer verhandelt künftig?

Die Missverständnisse wurden überlagert von der Sorge des MB, den Einfluss auf die Gehaltsverhandlungen für die Weiterbildungsassistenten zu verlieren. Der KBV-Beschluss lautete: "Die BÄK wird im Auftrag der Kammern, die KBV im Auftrag der KVen und die für die im stationären Versorgungsbereich für die Tarifgestaltung ärztlicher Vergütungen maßgebliche ärztliche Organisation eine Rahmenvereinbarung abschließen."

Im Arbeitskreis setzte sich der MB durch, so dass es nun heißt: "Die für die im stationären Versorgungsbereich für die Tarifgestaltung ärztlicher Vergütung maßgeblichen ärztlichen Organisationen werden einen Vertrag abschließen."

Ein Organisationsmodell für die "arbeitgeberseitige Vertragspartnerschaft" werde zwischen KBV und den Berufsverbänden entwickelt.

Noch ist die Weiterbildung in der ambulanten Versorgung Zukunftsmusik - steht sie doch unter Finanzierungsvorbehalt. Zunächst müsste der Gesetzgeber das Sozialgesetzbuch ändern und finanzielle Mittel bereitstellen.

Erst wenn es eine "sozialrechtlich geregelte Verpflichtung der Finanzierung der ambulanten Weiterbildung" geschaffen ist, könne die MWBO verändert werden.

Nach KBV-Vorstellungen könnte die ambulante Weiterbildung aus dem Gesundheitsfonds finanziert werden. Diese Spezifizierung enthält das Konsenspapier nicht mehr.

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