Anlagenkolumne
FOMO – Die Angst, nicht dabei zu sein, wächst
Trotz des wirtschaftlichen Einbruchs durch die Corona-Pandemie haben sich die Börsen erholt. Anleger fürchten, den Zug zu verpassen.
Veröffentlicht:Börsianer sind erfinderisch, wenn es um die Einführung neue Akronyme geht. FOMO steht für Fear Of Missing Out bzw. frei übersetzt: die Angst etwas zu verpassen. Gut möglich, dass diese Angst in nächster Zeit wieder stärker um sich greift. Schaut man bei Google Trends, wie oft nach FOMO & Stocks gesucht wird, dann interessiert dieses Thema scheinbar zunehmend mehr Leute.
Die fulminante Erholung seit Tiefs im März dieses Jahres konnten viele Anleger noch deswegen ertragen, weil sie möglicherweise beim vorangegangenen Absturz nicht dabei waren. Nach dem Motto: „Zum Glück war ich nicht investiert“. Sukzessive drehen jedoch wichtige Indizes in die Gewinnzone. Vereinzelte Indizes, wie die Technologiebörse Nasdaq, sind sogar schon zweistellig im Plus.
Bei den Anlegern, die noch an der Seitenlinie stehen – und das sind nicht wenige – wächst die Erkenntnis, dass die Börsen doch resistenter und konstruktiver sind als sich das viele angesichts der größten Rezession vorstellen können. Die monetären Schübe der Notenbanken werden die Börsen vermutlich weiter stützen, auch wenn rundherum die Wirtschaftsnachrichten mau ausfallen. Das ist für viele schwer zu nachzuvollziehen, wenn auf der anderen Seite die Entlassungen um sich greifen. So oder so wächst aber der Druck, denn für die meisten Anleger ist es ein leidvolles Gefühl, wenn rundherum Geld an der Börse verdient wird, man selbst aber nicht dabei ist.
Für institutionelle Investoren, die permanent im Wettbewerb stehen gilt das Gleiche. Irgendwann muss man einfach investieren, selbst wenn man logische, bearishe Argumente hat. Das aktuelle „Goldilocks“-Umfeld ist ein sehr vorteilhaftes für die Börse. Warum? Schwache Wirtschaftsdaten, die aber nicht katastrophal schlecht sind, erfordern weitere Maßnahmen der Notenbanken und Regierungen, um das fragile Gesamtgebilde am Laufen zu halten. Somit steht genug Liquidität für die Börse zur Verfügung. Natürlich darf aber nicht vergessen werden, dass die Börse keine Einbahnstraße ist. Die vielen negativen Nachrichten wie Corona-News, der schwelende Handelskonflikt, die schwachen Wirtschaftsdaten, die hohe Verschuldung und möglicherweise zu hohe Erwartungen bei den Tech-Unternehmen, sowie saisonaler Gegenwind sind alles potenzielle Punkte, die auch wieder Gegenwind bedeuten können. Bislang konnte der Markt diese Sachen jedoch gut wegstecken.
Fazit: Irrationale Übertreibungen gibt es in der Breite noch nicht. Der Optimismus ist nicht gering aber auch noch nicht übertrieben hoch. Im Moment spricht insbesondere der monetäre Faktor für weiteren Börsenrückenwind. Rückschläge sind vorerst weiter Kaufgelegenheiten.
Dr. Jens Ehrhardt, unabhängiger Fondsmanager, erreicht mit seinen Fonds immer wieder Spitzenplätze unter den Vermögensverwaltern.