Nachhaltigkeit

Grün – die neue Leitfarbe für künftige Versicherungsprodukte

Ärzte und andere Akademiker geraten immer mehr in den Fokus von Versicherern. Denn ihnen traut die Branche großes Interesse an nachhaltigen Produkten zu. Auf die setzen die Assekuranzen für die Zukunft.

Von Katrin Berkenkopf Veröffentlicht:
Hauptsache grün: Auch Versicherer bewegen sich mit nachhaltigen Policen zum Teil noch in einem Labyrinth.

Hauptsache grün: Auch Versicherer bewegen sich mit nachhaltigen Policen zum Teil noch in einem Labyrinth.

© WestPic / stock.adobe.com

Köln. Versicherungen werden grüner – das hat der Chef des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) Jörg Asmussen anlässlich des ersten branchenweiten Nachhaltigkeitstags versprochen. „Wir sind nicht Getriebene, sondern Treiber der Entwicklung“, behauptet Asmussen.

Und wenn die Unternehmen ihre geballte Finanzkraft nachhaltig einsetzen, kann das tatsächlich einen großen Effekt haben: Allein die deutschen Versicherer verwalten für ihre Kunden mehr als 1700 Milliarden Euro an Kapitalanlagen, die sie gewinnbringend investieren müssen.

Bis 2050 soll dieses Geld klimaneutral angelegt sein. Das hat sich die deutsche Versicherungswirtschaft zum Ziel gesetzt. Unter dem Dach der Vereinten Nationen und ihrer Net-Zero Asset Owner Alliance haben sich auch zahlreiche globale Versicherer und andere institutionelle Investoren auf dieses Ziel verpflichtet.

Deutsche Anbieter sind ehrgeizig

Ein Problem: Aktuell gibt es gar nicht genug nachweislich nachhaltige Anlagemöglichkeiten, um die Nachfrage zu bedienen – unter anderem, weil für die gesamte Finanzbranche bislang einheitliche Kriterien fehlen, die festlegen, was wirklich nachhaltig ist.

Aber auch der Betrieb als solcher und das Kerngeschäft der Versicherer, also die Übernahme von Risiken, soll künftig nicht mehr zum Klimawandel beitragen. International hat sich die Net-Zero Insurance Alliance dazu verpflichtet, dies ebenfalls bis 2050 zu erreichen. Die deutschen Anbieter sind ehrgeiziger: Bürogebäude und Infrastruktur sollen bereits bis 2025 klimaneutral sein.

Das Interesse an nachhaltigen Versicherungen ist offenbar groß. Nach einer Umfrage im Auftrag des GDV können sich 46 Prozent der Menschen – weitgehend unabhängig vom Alter – den Abschluss einer solchen Police vorstellen. Ein Viertel der Deutschen ist bereit, dafür mehr Geld auszugeben.

Homöopathische Abschlussquote

Das Kölner Marktforschungsinstitut Heute und Morgen hat ein noch größeres Interesse an nachhaltigen Policen festgestellt, dafür aber eine geringere Bereitschaft, dafür mehr zu zahlen. Und natürlich erwarten Verbraucher von solchen Versicherungen den gewohnten Leistungsumfang.

„Die große Mehrheit der Verbraucher sieht Nachhaltigkeitsaspekte bei Versicherungsprodukten als Hygienefaktor an“, sagt Studienleiterin Jana Grüger. „Nicht als einen Mehrwert oder Luxus, für den man bereit wäre, auch etwas mehr zu bezahlen oder an anderer Stelle Verzicht dafür zu leisten.“ Der GDV-Befragung zufolge kennt erst ein Drittel der Menschen nachhaltige Versicherungen und ganze vier Prozent haben eine abgeschlossen.

Das wird sich aber ändern, ist Chef-Lobbyist Asmussen überzeugt. „Der Markt für nachhaltige Versicherungsprodukte wird in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen.“ Dazu beitragen werde unter anderem eine überarbeitete Richtlinie der EU zum Versicherungsvertrieb. Sie tritt im August 2022 in Kraft. Dann müssen Vermittler und Versicherer Kunden gezielt auf das Thema ansprechen und ihnen bei Bedarf entsprechende nachhaltige Produkte anbieten.

Grüne Schadenregulierung

Von Akademikern wie Ärzten erwarten die Versicherer eine besonders große Nachfrage bei nachhaltigen Produkten. In einer Studie des Beraters EY mit dem Institut V.E.R.S. Leipzig zeigten sich fast alle Branchenvertreter überzeugt, dass der Bildungsstand eine Rolle bei der Sensibilität für das Thema spielt.

Fast 80 Prozent sehen auch das Einkommen als wichtig an. Wie sich Versicherer ihren Kunden gegenüber beim Thema Nachhaltigkeit positionieren, ist ganz unterschiedlich.

Die große Mehrheit der Verbraucher sieht Nachhaltigkeitsaspekte bei Versicherungs-

produkten als Hygienefaktor an.

Jana Grüger, Studienleiterin beim Kölner Marktforschungsinstitut Heute und Morgen

Manche werben damit, einen Baum für jede neue Police zu pflanzen. Andere haben sich komplett dem Thema verschrieben, beispielsweise der Makler „Grün versichert“, der Versicherer bei der Konzeption nachhaltiger Tarife unterstützt, oder Pangea Life, eine Tochter der Bayerischen, die sich auf nachhaltige Kapitalanlage spezialisiert hat.

Auch im Tagesgeschäft, vor allem bei der Regulierung von Schäden, hält das Thema Einzug. So zahlen bei einem Schaden bereits einige Anbieter einen Aufpreis, wenn dafür ein neues Gerät gekauft wird oder Produkte verwendet werden, die besonders umweltfreundlich sind. „Bis 2025 werden die Unternehmen zunehmend solche Nachhaltigkeitskriterien in die Praxis der Schadenregulierung integrieren“, verspricht der GDV.

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