Bericht der Finanzaufsichtsbehörde

Hohe Verwaltungskosten: BaFin sieht Defizite bei Versicherern

Lebensversicherungen auf Fondsbasis versprechen höhere Renditechancen als klassische Policen. In vielen Fällen müssen die Kunden jedoch viel Geld für Verwaltung und Vertrieb bezahlen. Die Finanzaufsicht bemängelt Interessenkonflikte.

Von Christian Bellmann und Jonas Tauber Veröffentlicht:
„Mängel im Freigabeverfahren“: Die Frankfurter Finanzaufsicht rügt die Lebensversicherer: picture alliance / florian Gaul

„Mängel im Freigabeverfahren“: Die Frankfurter Finanzaufsicht rügt die Lebensversicherer: picture alliance / florian Gaul

© picture alliance / greatif | Florian Gaul

Berlin. Mit fondsgebundenen Lebensversicherungen können Sparer an der Entwicklung der Kapitalmärkte partizipieren, das soll für höhere Renditechancen im Vergleich zu klassischen Policen mit Garantiezins sorgen. Allerdings fallen auch höhere Kosten an, warnt die Finanzaufsichtsbehörde BaFin.

„In der fondsgebundenen Lebensversicherung liegen sie signifikant über den Werten der klassischen Lebensversicherung“, informiert die die BaFin in ihrem aktuellen Journal. Sie hat die Anbieter nach den so genannten Effektivkosten gefragt. Der Wert beziffert, wie stark die Rendite eines Produkts durch die Kosten für Verwaltung und Vertrieb vermindert werden.

So liegen die Effektivkosten besonders langlaufender fondsgebundener Produkte im gewichteten Mittel bei 1,9 Prozent. Eine angenommene Anlagerendite von fünf Prozent würde also entsprechend effektiv auf 3,1 Prozent sinken. Je geringer die Laufzeit, desto fällt die Renditeminderung tendenziell aus.

Hohe Zahlungen sind Dauerthema

Bei 20 Jahren Laufzeit steigt sie im Mittel auf 2,17 Prozent, bei zwölf Jahren liegen die Effektivkosten bei 2,66 Prozent. Und: „Bei allen Eintrittsalter-Laufzeit-Kombinationen gibt es Lebensversicherer, bei denen die Effektivkosten der meistverkauften fondsgebundenen Produkte oberhalb von vier Prozent liegen“, betont die BaFin.

Die BaFin sieht in den Ergebnissen der Befragung Defizite bei den Versicherern. Hohe Kosten seien ein Hinweis auf Mängel im Produktfreigabeverfahren und darauf, dass Versicherer Interessenkonflikte im Vertrieb nicht im Griff haben. Für letzteres sieht die Behörde konkrete Hinweise. So zahlen Kapitalverwaltungsgesellschaften nicht selten Rückvergütungen an Lebensversicherer.

Teils werden solche Rückvergütungen auch direkt an Vermittler gezahlt. Deren konkrete Höhe kannten die betroffenen Versicherer aber nur in etwa der Hälfte der Fälle. „Das weist darauf hin, dass es für einige Lebensversicherer nur eingeschränkt möglich ist, etwaige Interessenkonflikte im Vertrieb zu identifizieren und die gesetzlichen Vorgaben zur Vertriebsvergütung umzusetzen“, kritisiert die BaFin. Schließlich sei die Versuchung für einen Vermittler groß, seinen Kunden Fonds mit besonders hohen Rückvergütungen zu empfehlen.

Das jetzige System belohnt ausgerechnet die Versicherer, die besonders schlechte Angebote aussprechen.

Axel Kleinlein, Vorstandssprecher Bund der Versicherten

Hohe Zahlungen in der Versicherungsvermittlung sind ein Dauerthema. Dabei geht es auch immer wieder um eine Grundsatzkritik am System der in Deutschland dominierten Provisionsvergütung. Kritiker warnen, dass Vermittler ihren Kunden möglicherweise nicht immer das passende Produkt empfehlen, sondern das, welches die meiste Provision liefert.

In der großen Koalition plante das vom heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz geführte Bundesfinanzministerium mit einem Provisionsdeckel für Lebensversicherungen, der aber am Widerstand aus der CDU scheiterte. Bei von Banken vermittelten Restschuldversicherungen zur Absicherung von Konsumentenkrediten gilt ab Juli 2022 eine Obergrenze, mit der auf exorbitante Vermittlergebühren reagiert wird.

Der Bund der Versicherten (BdV) hat die Ergebnisse der BaFin-Abfrage aufgegriffen. Er setzt sich für die Belange von Versicherungsnehmern ein und ist traditionell sehr kritisch gegenüber der Kapitallebensversicherung eingestellt. Er hat berechnet, wie hoch die von der BaFin veröffentlichten Kosten in Bezug auf die gezahlten Versicherungsbeiträge ausfallen.

„Bei einem durchschnittlichen fondsgebundenen Vertrag kassieren die Versicherer etwa ein Viertel der eingezahlten Beiträge nur für Kosten ein“, sagt Vorstandssprecher Axel Kleinlein.

Massive Fehlanreize

Über alle Vertragslaufzeiten gehen demnach bei fondsgebundenen Verträgen im Schnitt Kosten in Höhe von 25,9 Prozent von den Beiträgen ab. Bei klassischen Policen liege der Wert bei 16 Prozent.

Da fondsgebundene Verträge für Kunden nicht nur mehr Renditechancen, sondern auch höhere Risiken bedeuten als eine klassische Lebensversicherung, sieht der BdV durch die höheren Kosten ein Widerspruch zum Versicherungsprinzip. Die Folge seien massive Fehlanreize. „Das jetzige System belohnt ausgerechnet die Versicherer, die besonders schlechte Angebot aussprechen“, betont Kleinlein.

Bei der Abfrage der BaFin ging es um so genannte Versicherungsanlageprodukte. Staatlich geförderte Riester-Rentenversicherungen oder Produkte der betrieblichen Altersversorgung (bAV) fallen nicht in diese Kategorie.

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