„Mindestens sieben Prozent“

Honorarverhandlungen: Ärzte und Krankenkassen rammen erste Pflöcke ein

In der kommenden Woche starten die Honorarverhandlungen zwischen Vertragsärzten und Krankenkassen. Ärzteverbände wollen mindestens sieben Prozent Aufschlag. Die Krankenkassenseite hält sich bedeckt. Ein gutes Zeichen?

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Tauziehen ums Ärztehonorar: Am 19. August treffen sich KBV und GKV-Verband zu ersten Honorargesprächen für 2026.

Tauziehen ums Ärztehonorar: Am 19. August treffen sich KBV und GKV-Verband zu ersten Honorargesprächen für 2026.

© Andrea Schudok (generiert mit KI)

Berlin. Es war ein gezielt gesetzter Nadelstich: „Nullrunde“. Mit diesem Reizwort hat der Chef der Techniker Krankenkasse, Dr. Jens Baas, kurz vor Beginn der Verhandlungen über die Honorare der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten die Tonlage auf Provokation gestimmt.

Baas, promovierter Mediziner, ist schon lange im Geschäft. Er weiß, welche Wellen solch ein Einwurf wie der von der „Nullrunde“ in der verfassten Ärzteschaft schlägt. Die Reaktion kam – wie wohl erwartet – prompt. Allerdings ohne Schaum vor dem Mund und im Kern sachlich.

Vergütungsanpassungen „dringend nötig“

Tenor: Was der TK-Chef verlangt, geht gar nicht. Angesichts gestiegener Personalkosten der Praxen seien 2026 vielmehr „Vergütungsanpassungen“ nötig, erklärten die Vorstände der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV).

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Kurz vor dem ersten Verhandlungstermin am kommenden Dienstag (19. August) liegen erste Forderungen auf dem Tisch: In einer gemeinsamen Presseerklärung haben der Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV) sowie der Berufsverband der Kinder- und JugendärztInnen (BVKJ) Pflöcke eingerammt.

Der Orientierungswert (OW) müsse um „mindestens“ sieben Prozent angehoben werden, heißt es in einer gemeinsamen Presseerklärung. Zuvor hatte der Virchowbund bereits seine Vorstellung von einer Anpassung der Vergütung ebenfalls auf mindestens sieben Prozent beziffert.

Heinrich: Praxen nicht der Kostentreiber

„Wer auch 2040 noch niedergelassene Ärzte haben möchte, muss für die Praxen eine nachhaltige Finanzierung bereitstellen“, begründet Bundesvorsitzender Dr. Dirk Heinrich seine Erwartungen.

Kurze Geschichte der „Nullrunde“

Die „Nullrunde“ fürs Honorar ist nicht erst seit dem Vorstoß von TK-Chef Baas Teil der Drohkulissen, in denen die Verhandlungen von Vertragsärzten- und Psychotherapeuten sowie Krankenkassen spielen.

In den vergangenen Jahren war die Nullrunde irgendwie immer mit am Tisch. 2023 brachte der GKV-Spitzenverband das Reizwort vor den Verhandlungen ins Spiel. Letztendlich einigten sich KBV und Kassen im Erweiterten Bewertungsausschuss (EBA) auf ein Plus von 3,85 Prozent beim Orientierungspunktwert. Der EBA entsteht, wenn das Unparteiische Mitglied hinzugezogen werden muss. Aktuell ist das der Gesundheitsökonom Professor Jürgen Wasem.

2024 endeten die Verhandlungen ebenfalls mit einem Ergebnis von 3,85 Prozent Aufschlag auf den Punktwert, der damit auf 12,3934 Cent stieg. Die Kassen hatten 1,6 Prozent geboten, die KBV deutlich mehr verlangt. Auch diese Einigung erfolgte im EBA. Teile der Ärzteschaft nannten das Ergebnis eine „faktische Nullrunde“: Das Honorarplus reiche nicht aus, um Kostensteigerungen zu kompensieren.

Bleibe der Aufschlag in dieser Höhe dagegen aus, werde die Versorgung „deutlich schlechter“, warnt der HNO-Arzt aus Hamburg. Im Übrigen sollten sich alle Sparfüchse hinter die Ohren schreiben, dass nicht die rund 100.000 Haus- und Facharztpraxen Kostentreiber im Gesundheitswesen seien.

„Im Gegenteil: Für ein Bruchteil der Mittel, die in den stationären Sektor fließen, schultern die Praxisärztinnen und Praxisärzte 578 Millionen Behandlungsfälle und mehr als eine Milliarde Arzt-Patienten-Kontakte pro Jahr.“ Stationär seien es nur 17,2 Millionen Fälle. „An der ambulanten Versorgung zu sparen, wäre daher der falsche Ansatz.“

Fruchten die Appelle und Hinweise?

Ob solche Appelle beim Verhandlungspartner der KBV – dem GKV-Spitzenverband und der dort für die Honorarverhandlungen zuständigen Vizechefin Stefanie Stoff-Ahnis – fruchten, bleibt abzuwarten.

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Gefragt danach, mit welchen Vorstellungen die Kassenseite in die Verhandlungsrunde startet, reagiert eine Sprecherin erwartungsgemäß zurückhaltend. Laufende Verhandlungen kommentiere man nicht.

Es gibt allerdings Hinweise: In der anlaufenden Runde hat der GKV-Spitzenverband noch kein konkretes Angebot unterbreitet. Von einer „Nullrunde“ ist vom Verband aus allerdings auch nichts zu hören.

Lob von der FALK

Dafür gibt es Lob von der Freien Allianz der Länder-KVen (FALK). „Als FALK treten wir für eine aktive und handlungsfähige Selbstverwaltung ein. Deswegen erwarten wir auch eine Einigung der Vertragspartner ohne Einmischung der Politik“, sagt deren Hauptstadtrepräsentant Martin Degenhardt der Ärzte Zeitung.

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Es sei gut, dass der GKV-Verband in diesem Jahr von einer Nullrunde abgesehen habe, so Degenhardt. Nun gelte es vor allem, gestiegene Kosten der Praxen bei den Orientierungswert-Verhandlungen auszugleichen. An dieser Stelle sei viel zu tun.

Verhandlungen? Das klingt nach Austausch von Argumenten und einer konstruktiven Annäherung ursprünglich auseinanderliegender Positionen. Ärztinnen und Ärzte erleben die Auseinandersetzungen um die Honorarentwicklung zusehends als bloßes Ritual.

Echte Verhandlungen oder Ritual?

Der Sprecher der Ärztevereinigung Hartmannbund, Michael Rauscher, formuliert es gegenüber der Ärzte Zeitung so: Die formalen Vorgaben für die „Preisfindung“ ließen, wie man seit Jahren „leidvoll“ erleben müsse, „echte Verhandlungen auf der Basis wirklich relevanter Grundlagen“ kaum zu.

Auch stelle sich die Frage, ob es sinnvoll sei, öffentlich mit konkreten Zahlen ins Rennen zu gehen – wenngleich der geforderte Aufschlag beim OW um sieben Prozent „durchaus angemessen“ sei.

Fakt sei ja, so Rauscher, dass jenseits der Inflation Herausforderungen auf die Praxen zukämen: Digitalisierung, Versorgungssteuerung etc. Positiv zu bewerten sei, dass die Gehaltssteigerungen bei den Medizinischen Fachangestellten (MFA) automatisch in die Berechnungen einfließen sollten. (af/hom)

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