Spendierhosen an

Jeder Vierte würde Klinik-Obolus berappen

Viele kommunale Kliniken sind vom wirtschaftlichen Aus bedroht. Obwohl sie in der Bevölkerung keine hohe Priorität bei der Auswahl für einen medizinischen Eingriff genießen, würde ein Viertel der Deutschen eine Klinik in Schieflage finanziell unterstützen.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Damit es für ihre bankrotte Klinik vor Ort weiter geht, würden viele Bürger Geld beisteuern.

Damit es für ihre bankrotte Klinik vor Ort weiter geht, würden viele Bürger Geld beisteuern.

© bluedesign / stock.adobe.com

DÜSSELDORF. Nur knapp vier von zehn Patienten wären bereit, mehr als 50 Kilometer zu fahren, um sich in einer Klinik einem medizinischen Eingriff zu unterziehen. 32 Prozent würden 30 bis 50 Kilometer in Kauf nahmen, 22 Prozent bis zu 30 Kilometer, fünf Prozent würden in das nächstgelegene Krankenhaus gehen. Das ergibt eine bevölkerungsrepräsentative Befragung der Strategieberatung PwC, die am Montag veröffentlicht wurde. "Wie weit würden Sie fahren, um ein Krankenhaus zu besuchen, das Ihren persönlichen Anforderungen an die Qualität des Hauses entspricht?", lautete die konkrete Fragestellung.

Diese mit fünf Prozent gering ausgeprägte Bereitschaft zur Inanspruchnahme des lokalen, meist kommunalen Krankenhauses korreliert mit der oft klammen Finanzsituation der betreffenden Häuser. So hatte Professor Boris Augurzky, beim Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) Leiter des Kompetenzbereichs Gesundheit, beim diesjährigen Hauptstadtkongress betont, neun Prozent der Kliniken hätten 2015 im "roten Bereich" mit erhöhter Insolvenzgefahr gelegen.

Jeder zweite Senior finanziell zu klamm

Das ginge aus dem aktuellen Krankenhaus-Ratingreport hervor, den das RWI und das Institute for Healthcare Business GmbH erstellt haben. Es gebe zu viele kleine Einrichtungen, eine zu hohe Krankenhausdichte und zu wenig Spezialisierung, so Augurzky weiter.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte aus Datawrapper Um mit Inhalten aus Datawrapper zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir Ihre Zustimmung. Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte aus Sozialen Netzwerken und von anderen Anbietern angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät notwendig. Weitere Information dazu finden Sie hier.

Nach eigener Aussage wären 18 Prozent der Bevölkerung bereit, einmalig bis zu zehn Prozent ihres monatlichen Nettoeinkommens für den erhalt der kommunalen Klinik zu spenden, wenn diesem aufgrund seiner schlechten wirtschaftlichen Lage die Schließung drohen würde, sieben Prozent gingen sogar über diese Messlatte hinaus. Das hat indes nichts – wie der Veröffentlichungstermin der Studie suggerieren könnte – mit weihnachtlicher Vorfreude und entsprechender finanzieller Ausgabebereitschaft für Geschenke zu tun. Die Erhebung fand bereits im Mai dieses Jahres statt.

Grundsätzlich nicht bereit für eine freiwillige Spende an die Klinik erklärten sich 40 Prozent der Befragten – bei den Senioren über 65 Jahre sind es 50 Prozent. 35 Prozent der Bevölkerung gibt an, sich eine solche finanzielle Samariteraktion schlicht nicht leisten zu können – hier führen wiederum die Senioren mit 38 Prozent.

Unikliniken bei Qualität gefragt

Generell scheint es sich beim Erhalt eines kommunalen Krankenhauses in wirtschaftlicher Schieflage eher um eine emotionale denn eine qualitätsorientierte Angelegenheit zu handeln. Diese sind Häuser sind zwar Teil der regionalen medizinischen Versorgung, die höchsten Qualitätsstandards erwarten dort – wie auch bei den Häusern in konfessioneller Trägerschaft aber – nur fünf Prozent der Befragten. 19 Prozent sehen die Qualitätsführerschaft bei privaten Krankenhäusern, 64 Prozent nehmen die Unikliniken bei den höchsten Qualitätsstandards in die Pflicht.

Bei der Klinikwahl ist im Falle eines einfachen Eingriffs für 61 Prozent ein hohes Maß an Sauberkeit und Hygiene das Top-Kriterium, auf Rang fünf rangiert die Hausarztempfehlung mit 29 Prozent. Bei schweren medizinischen Sachverhalten sowie bei chronischen Erkrankungen ist für die Deutschen mit 71 Prozent bzw. 62 Prozent bei der Klinikwahl das Vorhandensein eines großen Teams von Top-Ärzten und Spezialisten führendes Auswahlkriterium – in beiden Fällen kommt die Hausarztempfehlung (je 31Prozent) auf Platz vier.

62,7 Prozent der Befragten gaben an, eine im Krankenhaus erhaltene Diagnose noch einmal mit ihrem Hausarzt zu besprechen. 86 Prozent von ihnen – Mehrfachnennungen waren möglich – verfahren so, weil sie die Meinung ihres "Arztes des Vertrauens" wichtig ist. Jeweils elf Prozent gaben an, dass sie Klinikärzten nicht vertrauten bzw. dass diese die Diagnose nicht so gut erklären könnten wie der Hausarzt.

Nahezu paradox mutet es an, dass immerhin 73 Prozent der Umfrageteilnehmer angeben, dass sie "ihrem" Krankenhaus vertrauen – 20 Prozent von ihnen haben sogar vollstes Vertrauen. Bedenken oder Ängste äußern nur sechs Prozent. Ebenso ist mit 63 Prozent die Mehrheit der Bevölkerung davon überzeugt, dass im nächstgelegenen Krankenhaus das Wohl des Patienten stärker zählt als wirtschaftliche Überlegungen.

Der Katholische Krankenhausverband Deutschlands (kkvd) reagierte am Montag umgehend auf die Studie. "Die Krankenhäuser sind wichtiger Bestandteil der regionalen Infrastruktur", betonte kkvd-Geschäftsführung, Bernadette Rümmelin.

Zukunftssicherung mit Top-Ärzten?

Sie verbindet die dargelegte Wertschätzung der medizinischen Versorgung auch auf kommunaler Ebene mit einem gesundheitspolitischen Appell: "Im Rahmen der Daseinsvorsorge muss dieser Wunsch der Bürger bei der künftigen Bedarfsplanung berücksichtigt werden", so Rümmelin. Allen Menschen stünde gleichermaßen ein menschenwürdiges Leben zu – inklusive guter Versorgung.

Aus strategischer Sicht sei die Investition in medizinische Expertise die einzige Option zur Zukunftssicherung, so die Studienautoren. "Gerade kleinere und mittlere Kliniken müssen große Anstrengungen unternehmen, um Top-Ärzte an sich zu binden und auf Dauer wettbewerbsfähig zu bleiben", mahnt Michael Burkhart, bei PwC Leiter des Bereichs Gesundheitswesen & Pharma.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Entlassmanagement

Wenn die Klinik Faxe in die Praxis schickt

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema

Ist das AMNOG bereit für HIV-Innovationen?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Mehr als ein oberflächlicher Eingriff: Die Krankenhausreform verändert auch an der Schnittstelle ambulant-stationär eine ganze Menge.

© Tobilander / stock.adobe.com

Folgen der Krankenhausreform für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte

Die Klinikreform bringt Bewegung an der Schnittstelle zwischen Praxen und Krankenhäusern

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztbank (apoBank)
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Eine schwierige Entscheidung

Schlaganfall: Das sind Grenzfälle der Thrombolyse

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!

Checkliste Symbolbild

© Dilok / stock.adobe.com

Auswertung über Onlinetool

Vorhaltepauschale: So viele Kriterien erfüllen Praxen laut Honorarvorschau