Kasse will gegen Betrüger auch strafrechtlich vorgehen

Die KKH-Allianz fordert einen eigenen Straftatbestand "Betrug im Gesundheitswesen". Hintergrund sind steigende Schadenssummen. Alleine 2010 waren es bei der Kasse 2,1 Millionen Euro Euro.

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Mit vereinten Kräften gegen Betrug im Gesundheitswesen (v.l.n.r.): KVN-Chef Mark Barjenbruch, Dina Michels und Ingo Kailuweit von der KKH-Allianz sowie Staatsanwalt André Schmidt.

Mit vereinten Kräften gegen Betrug im Gesundheitswesen (v.l.n.r.): KVN-Chef Mark Barjenbruch, Dina Michels und Ingo Kailuweit von der KKH-Allianz sowie Staatsanwalt André Schmidt.

© KKH-Allianz

HANNOVER (cben). Durch Betrug im Gesundheitswesen ist der KKH-Allianz im vergangenen Jahr ein Schaden von rund 2,1 Millionen Euro entstanden, teilte die Kasse auf einer Pressekonferenz in Hannover mit.

Die Schadenssumme sei der höchste Jahresschaden, den das Ermittlerteam der Kasse seit seiner Gründung vor zehn Jahren festgestellt hat, erklärte Ingo Kailuweit, Chef der KKH-Allianz.

Auch Apotheker stehen im Visier der Ermittler

Dabei verursachten bei den einzelnen Schadensbereichen wenige Ärzte die im Vergleich größte Schadenssumme von 953.000 Euro. Immer wieder werde zum Beispiel im Bereich Sprechstundenbedarf (SSB) falsch abgerechnet, hieß es.

Ärzte arbeiteten mit Apothekern zusammen und finanzierten durch zu hohe SSB-Verordnungen ihren Praxisbedarf. "Natürlich darf man bei den Schadenssummen nicht außer acht lassen, dass sie teilweise aus besonders kostspieligen Einzelfällen resultieren", räumte Kailuweit ein.

Auf Platz zwei folgen Apotheken mit 431.000 Euro Schadenssumme bei 348 Schadensfällen. Damit ermittelte die KKH-Allianz 2010 in jedem dritten Fall im Apothekenbereich.

Leistungsmissbrauch durch Versicherte kostete die Kasse 189.000 Euro. In 196 Fällen gingen die Ermittler gegen Krankengymnasten und Physiotherapeuten vor.

Im Bereich der Ärzte verzeichnete die Kasse 55 Fälle. Es folgten Ermittlungen wegen unzulässiger Zusammenarbeit (51 Fälle) und Fahrtkosten (43 Fälle), so die Ermittlergruppe.  

"Trotz der zurzeit positiven Entwicklung in der Rechtsprechung zu der Frage, ob sich ein niedergelassener Arzt wegen Korruption strafbar machen kann, brauchen wir hierzu eine Klarstellung im Gesetz", forderte Kailuweit. Noch sei dieser Sachverhalt in der Praxis und in der einschlägigen Literatur höchst umstritten.

Auch Staatsanwalt André Schmidt von der Zentralstelle für Korruptionsstraftaten bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig sprach sich für eine rechtliche Klarstellung aus: "Dies wäre die Voraussetzung, um strafrechtlich etwa gegen unlautere Einflussnahmen auf das Verordnungsverhalten eines Vertragsarztes einschreiten zu können."

Zurzeit gebe es für Fälle des Abrechnungsbetruges aber keinen Sondertatbestand, so dass der "normale" Betrugsstraftatbestand des Paragrafen 263 Strafgesetzbuch herangezogen werde. Dieser bezieht sich fast ausnahmslos nur auf tatsächliche, objektiv messbare Vermögensschäden.

Der Bundesgerichtshof wende diesen Paragraphen zwar auch bei den besonderen sozialrechtlichen Sachverhalten an, hieß es.

"Die Krankenkassen und alle anderen Betroffenen brauchen aber mehr Rechtssicherheit durch einen eigenen Straftatbestand. Dass dies möglich und umsetzbar ist, sieht man an den Regelungen zum Subventionsbetrug und dem Versicherungsmissbrauch", so Kailuweit.

KVN: Von einem Misstrauen gegen Ärzte ist keine Rede

Laut der KV Niedersachsen hat die KV von Januar 2004 bis Februar 2011 genau 202 Meldungen wegen Unregelmäßigkeiten bei den ärztlichen Abrechnungen an die Staatsanwaltschaft gemacht.

KV-Chef Mark Barjenbruch sagte: "145 Verfahren wurden eingestellt. In sieben Verfahren gab es einen Strafbefehl und in einen Verfahren eine Verurteilung. 49 Verfahren laufen noch." Für ein Klima generellen Misstrauens gegenüber den Ärzten und Psychotherapeuten bestehe kein Anlass.

"Im Spannungsfeld zwischen Wettbewerb und Korruption bedarf es der Entwicklung von verlässlichen Leitpfosten, die den Ärzten und Psychotherapeuten die dringend notwendige Rechtssicherheit für ihr Handeln bieten."

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