Kassen könnten den Datenerfassern Geld zahlen

Viele Probleme gilt es bei der elektronischen Gesundheitskarte noch zu lösen. Gelingt dies, werden Ärzte die Karte sicher akzeptieren.

Von Bernd W. Alles Veröffentlicht:

Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) ist in Ärztekreisen vorwiegend unbeliebt. Haben doch im Februar 2009 rund 45 ärztliche Organisationen/Verbände im Bereich Nordrhein - der aktuellen Testregion - per Faxaktion zu einem Lesegeräte-Boykott aufgerufen. Und ohne Lesegerät ist die smarte eGK nutzlos.

Warum eigentlich votieren Ärzte gegen diesen technischen Fortschritt? Ist es die Sorge um Machtverlust, weil sensible Patientendaten jetzt nicht mehr in ihrer alleinigen Obhut sind? Oder die Sorge um Datenschutz? Sind organisatorische Fragen ungelöst? Hat man Angst vor der Offenbarung von Verordnungsfehlern? Oder befürchtet man sogar mehr Bürokratie als zuvor?

Viel Arbeit gibt es noch bei der elektronischen Gesundheitskarte.

Viel Arbeit gibt es noch bei der elektronischen Gesundheitskarte.

© Foto: TK

Das Gros der Bevölkerung ist für die Gesundheitskarte

Die Patienten werden es begrüßen, wenn ein Arzt nicht mehr alleiniger Hüter ihrer Gesundheitsdaten ist und sie selbst über diese Daten verfügen können. Sie fühlen sich damit unabhängiger. Die Akzeptanz der eGK in der Bevölkerung wurde kürzlich durch eine repräsentative TNS-Emnid-Umfrage im Auftrag der Techniker Krankenkasse abgefragt: 75 Prozent der Deutschen denken positiv über die Karte und ihre technischen Möglichkeiten. Die wichtigsten Argumente sind die bessere Notfallversorgung und die Tatsache, dass Ärzte künftig auf einer breiteren Informationsgrundlage behandeln können (siehe im Internet www.presseportal.de/print.htx?nr=647236).

Ohne eine gehörige Portion Datenschutz geht dabei natürlich nichts, sie gehört als Grundvoraussetzung für die Speicherung der Patientendaten auf dieser Chipkarte dazu. Schließlich könnten die Daten missbräuchlich benutzt werden. Versicherungen, Behörden, Krankenkassen und vielleicht sogar Arbeitgeber könnten sich Zugriff auf den dann "gläsernen" Patienten verschaffen. Das gilt es zu vermeiden. Die von den Patienten gewollten und per Code erlaubten Zugriffsmöglichkeiten müssen nach allen Regeln der telematischen Kunst abgesichert werden.

Sicherheit konkurriert noch mit der Praxistauglichkeit

Aber gerade diese Sicherheit - zum Beispiel wie vorgesehen - per PIN, bringt auch wieder organisatorische Probleme im Praxisalltag mit sich. Da greift das Argument der millionenfach bewährten Bank- oder Kreditkarte nicht. Denn schließlich kann der Käufer bei der Bezahlung einer Ware immer noch selbst entscheiden, ob er bar, per Überweisung, per Scheck oder per Bank-/Kreditkarte zahlt. Analoge Wahlmöglichkeiten im Umgang mit der neuen Patientenchipkarte sind nicht in dieser Vielfalt vorgesehen. Und da tut sich schon die Frage auf, wie ein vergesslicher oder gar dementer Patient einen mehrstelligen Sicherheitscode als Schlüssel für seine eGK im täglichen Leben bewerkstelligen kann.

Die stufenweise Einführung der Karte sieht als weiteren Schritt ein elektronisches Rezept vor, danach ein Aufrüsten bis zur elektronischen Patientenakte. Auch hier sind die tagtäglich erlebten Arbeitsabläufe in der Arztpraxis oder im Krankenhaus zu berücksichtigen und Lösungen für den Fall zu finden, dass die Chipkarte nicht vorliegt, das Lesegerät in der Praxis nicht funktioniert und Bestellvorgänge telefonisch oder durch eine dritte Person abgewickelt werden.

Zu dem Aufwand: Für den Arzt als Anwender ist klar, dass mit dem ausgelobten einmaligen Zuschuss für den Kauf und die Installation eines Lesegerätes nicht alle Kosten für den Betrieb des neuen Mediums abgedeckt sind. Auch ist der Aufwand für die Datenerfassung und vor allem die Datenpflege noch nicht abschätzbar.

Die neue Technik muss sich wirtschaftlich lohnen

Die Technik wird, da komplizierter, wohl mehr Wartungskosten erfordern und vielleicht frühere Ersatzbeschaffungen im Vergleich mit den heutigen Lesegeräten nötig machen. Da ist als betriebswirtschaftlicher Kostenausgleich ein adäquates Rationalisierungsvolumen durch den Einsatz der neuen Technologie zu fordern. Es gilt, tatsächlich, "coole und sexy Mehrwertlösungen" (meist gebrauchte Floskel bei einem IT-Symposium kürzlich in Berlin) zu realisieren, die den wirtschaftlichen Ertrag durch die Karte deutlich über deren Betriebskosten ansiedeln.

Letztlich ist die Frage zu stellen, ob nachgelagerte Nutznießer (zum Beispiel Apotheken, Krankenkassen) nicht einen gewissen Beitrag für die Datenerfassung und Datenpflege an die Datenerfasser zahlen sollen.

Da auch ein Ziel der neuen Karte ist, die Verordnungen transparenter zu machen und auf mögliche schädliche Interaktionen abzuprüfen, ist die Sorge der so überprüfbaren Ärzte, dass man ihnen Verordnungsfehler vorwerfen könnte, nicht aus der Luft gegriffen. Dies stellt ein weiteres psychologisches Hemmnis für die Akzeptanz der Karte dar. Gelingt es, die genannten Probleme zur Zufriedenheit der Anwender zu lösen, wird die Karte sehr schnell Akzeptanz finden, auch bei den Ärzten.

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