Weiterbildung

Medizinstudenten fordern Strukturen

Mentoren an ihrer Seite und feste Strukturen in der Weiterbildung wünschen sich Medizinstudenten, wenn sie mit ihrem Job in der Klinik beginnen.

Von Marion Lisson Veröffentlicht:

WIESLOCH. Dass sie sich keinen Acht-Stunden-Job ausgesucht haben, ist ihnen bewusst. "Wenn man in seinem Job gut sein will, muss man zunächst investieren - Zeit, Engagement und Zähigkeit", fasst es Medizinstudent Malte zusammen.

Studenten der Human- und Zahnmedizin sitzen zusammen. Eingeladen hat die Manfred Lautenschläger Stiftung. Von den 120 Studenten, die heute auf dem Wieslocher Firmengelände von MLP miteinander diskutieren, werden später 15 angehende Ärzte ein Stipendium erhalten. Honoriert wird damit ihr überdurchschnittlich starkes Engagement in fachlichen und sozialen Dingen.

Auf Partys, lange Urlaube und ein vergnügliches Familienleben zunächst zu verzichten - für Malte kein Problem. "Mir macht die Arbeit Spaß", bringt er es für sich auf den Punkt.

"Gedanken über eine gute Work-Life-Balance werde ich mir erst später machen", bekräftigt auch der Heidelberger Medizinstudent Christoph. Kinderherzchirurg will er werden, berichtet er in der Diskussionsrunde, die von Chefarzt und Internist Dr. Nikos Stergiou aus Seligenstadt geleitet wird.

Christophs Tischnachbar, Medizinstudent Konrad, will Pathologe werden. Kritisch bewertet er die Medizinerausbildung in der Klinik. Bereits für das Praktische Jahr (PJ) sieht er Handlungsbedarf: "In den Kliniken müssen Ausbilder eingestellt werden, die sich intensiv um den Nachwuchs kümmern können", fordert er.

Medizinstudenten im Abseits

Das zahle sich aus, findet auch Lea. "Wenn man mir am ersten Tag des PJ zeigt, wie man Arztbriefe verfasst, dann kann ich auch meinen kleinen Teil auf Station beitragen und die Arbeit der Kollegen unterstützen", so die Berliner Medizinstudentin.

Doch leider stelle man Medizinstudenten - besonders in Famulaturen - gerne ins Abseits. "Da kann man schon mal zehn Stunden auf dem Bürostuhl im Kreise drehen", berichten andere Medizinstudenten in der Runde.

Nicht alle Assistenz- und Oberärzte, die sich den täglichen Anforderungen des Stationsalltags stellen müssten, seien bereit und in der Lage, auf Famulanten einzugehen, beklagen sie. Frust sei programmiert.

Feste Strukturen für die Weiterbildungszeit wünscht sich Christoph, der angehende Kinderherzchirurg aus Heidelberg. "Bei uns in Deutschland dauert eine Facharztausbildung in der Chirurgie doppelt so lange wie in den USA, doch wir sind keineswegs doppelt so gut wie die amerikanischen Kollegen", fasst er zusammen.

Ein Chirurg investiere elf Jahre, bis er alle operativen Voraussetzungen für die Facharztprüfung geschafft habe. "Bei uns in Deutschland operiert man als Chirurg an der Uni ja auch erst nach vier bis fünf Jahren, in den USA ab dem dritten Jahr".

Sein Wunsch: Der Weiterbildungskatalog solle nicht nur auflisten, welche Operationen für die Facharztanerkennung schlussendlich vonnöten sind. Darüber hinausEs müsse eindeutig geregelt sein, welche Operationen im jeweiligen Weiterbildungsjahr zu absolvieren seien.

Nicht jeder im Raum schließt sich seiner Auffassung an. "Ich brauche lieber sechs statt fünf Jahre für meine Facharztausbildung und kann mir noch ein soziales Leben leisten", widerspricht Lea zu engen Vorgaben.

Sie setzt provokativ nach: "Ich kann doch nicht meinen Freunden sagen, ihr müsst jetzt mal zehn Jahre auf mich warten, bis ich meinen Facharzt habe und im Job positioniert bin."

"Es dauert so lange, wie es dauert", findet auch Lena. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei sicherlich nach wie vor für viele Frauen in der Medizin ein Problem.

Frauen stärker unter Druck

"Als Akademiker gibt es nie einen guten Zeitraum, um sich für Kinder zu entscheiden", bedauert Konrad. Naturgemäß setze das Thema Frauen stärker unter Druck als Männer. Konrad: "Leider sind wir keine Seepferdchen und bei uns bekommen noch immer die Frauen die Kinder."

Es sei auch für die Gesellschaft wichtig, über die Weiterbildungszeit von Ärzten ernsthaft nachzudenken. "Das Studium eines Arztes kostet den Steuerzahler in Deutschland rund 120.000 Euro.

Es muss verhindert werden, dass unzufriedene Mediziner danach ins Ausland abwandern", so Christoph. "Klinikchefs, die ihre Weiterbildungsassistenzen fördern und gute Ausbildungsmöglichkeiten bieten, binden diese für die nächsten Jahre an ihre Häuser", ist auch die Berliner Studentin Julia überzeugt.

"Alle Beteiligten müssen interessiert und offen aufeinander zugehen - das gilt für die Famulanten und PJler genauso wie für die ausbildenden Ober- und Chefärzte", fasst Workshopleiter Stergiou aus eigener Erfahrung zusammen. Kleineren Häusern falle es vielleicht leichter, einem lernenden Kollegen einen erfahrenen Mentor zur Seite zu stellen.

Den Studierenden gab der Chefarzt aus Seligenstadt gemeinsam mit Co-Moderator Professor Christian Mawrin aus Magdeburg einen guten Tipp mit auf den Weg: "Engagieren Sie sich selbst, aber provozieren Sie ruhig auch im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses!"

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