Sachsen-Anhalt

Praxisnetz setzt auf "Klasse trotz(t) Masse"

Das MediNetz Harz ist das erste zertifizierte Praxisnetz in Sachsen-Anhalt. Seit fünf Jahren arbeiten die Ärzte zusammen. Doch neue Ideen gehen ihnen nicht aus, wie Wartezimmer-Journal und Salzgrotte zeigen.

Von Petra Zieler Veröffentlicht:
Arbeiten im Netz für die Patienten: MediNetz-Vorsitzende Dr. Carola Janschinski (l.) mit MFA Janine.

Arbeiten im Netz für die Patienten: MediNetz-Vorsitzende Dr. Carola Janschinski (l.) mit MFA Janine.

© Petra Zieler

HALBERSTADT. "Klasse trotz(t) Masse" – so ein Slogan von 15 Haus- und fünf Fachärzten aus der Harzregion in Sachsen-Anhalt, die seit gut fünf Jahren gemeinsame Wege gehen. Nicht unbedingt mehr Geld verdienen, aber Zeit und Aufwand sparen ohne die Behandlungsqualität zu vernachlässigen, das ist Ziel des 2011 aus der Taufe gehobenen MediNetzes Harz.

Zu den festen Kooperationspartnern der Ärzte gehören zwei Apotheken, eine Lungenklinik, zwei Sanitätshäuser sowie eine Familientherapeutin. "Patienten werden älter genau wie wir Ärzte, die Versorgung wird komplexer. Schon allein deshalb machen Kooperationen durchaus Sinn. Wir haben uns gesagt: Gemeinsamkeit macht stark und Unterschiedlichkeit macht schlau", so die MediNetz-Vorsitzende und Kardiologin, Dr. Carola Janschinski, über ihre Motivation für MediNetz, das mittlerweile erste zertifizierte Praxisnetz in Sachsen-Anhalt.

Dabei sei die Idee, ein Netz zu gründen, eher zufällig entstanden. "Bei Gesprächen mit Kollegen während der Mittagspause haben wir gemerkt, dass wir recht wenig voneinander wissen, aneinander vorbei agieren, statt Aufgaben abzustimmen und möglichst sogar zu bündeln", sagt die Halberstädter Vertragsärztin. Heute steht das Netz für ein engeres Miteinander, regelmäßige Absprachen, gemeinsame Fortbildungen, aber auch einheitliche Behandlungspfade. Und weil Zeit ihre wichtigste Ressource ist, haben sie gemeinsame Überlegungen von Anfang an auch darauf ausgerichtet, Doppelarbeit zu vermeiden.

Behandlungspfade sparen Zeit

Mittlerweile wurden Behandlungspfade für Hypertonie und COPD erarbeitet, die zugleich Aufgaben für Haus-, Fach- und – bei COPD – auch für Klinikärzte verbindlich festgelegen. Lange vor landesspezifischen Überweisungssteuerungen und Terminservicestellen hatte das Netz seine eigenen Überweisungsmodalitäten, die in akuten oder dringenden Fällen eine schnelle Weiterbehandlung beim Facharzt garantieren.

Ebenfalls der Zeitersparnis dient die Entscheidung für eine Netzmanagerin, die sich die Ärzte seit gut einem Jahr leisten. Sie bereitet Vorstandssitzungen, Mitgliederversammlungen, Klausurtagungen, Schwesternstammtische vor, unterstützt Arbeitsgruppen innerhalb des Netzes, betreut die eigene Internetseite ebenso wie die externe und interne Kommunikation, koordiniert das netzeigene Fehlermanagement und unterstützt die Ärzte bei anstehenden Zertifizierungen. Gemeinsam mit ihr wird auch ein Wartezimmer-Journal aufgelegt. "Den Titel haben wir schon", sagt Carola Janschinski. "Der nächste bitte…" soll regelmäßig über das Netz sowie Aktivitäten der Ärzte berichten und zugleich ein Patienten-Ratgeber sein.

Frust über E-Card-Stau

Doch nicht alles läuft rund: Obwohl die Netz-Ärzte schon frühzeitig KV-SafeNet und KV-Connect installiert haben, sich zudem am KV-Pilotprojekt E-Arztbrief beteiligen, macht die elektronische Datenübermittlung noch immer Bauchschmerzen. Carola Janschinski: "Für unterschiedliche Praxissoftware gibt es keine einheitlichen Übertragungsstandards. Das macht uns das Leben schwer." Auch die elektronische Gesundheitskarte sollte endlich so genutzt werden können, wie ursprünglich geplant: mit wichtigen Patientendaten, den letzten Verordnungen, Röntgen- oder Laborbefunden. "Ist das nicht möglich, wollen und müssen wir über eine ,Netzakte‘ nachdenken, um die Arbeit beispielsweise im Vertretungsfall vereinfachen zu können.

"Alte Schule" soll Nachwuchs locken

Effiziente Strukturen, kollegiales Miteinander könnte sich, so hoffen die Netzärzte, auch positiv auf die Nachwuchsgewinnung auswirken. Ganz besonders reizvoll dürfte da das Ärztehaus "Alte Schule" im Herzen Halberstadts sein. Zehn Jahre lang stand das alte Schulgebäude leer, ehe es einige der Netzärzte, Verbündete wie Architekt und Apotheker gekauft und aufwändig saniert haben. Entstanden sind moderne Praxen, eine Apotheke, Räumlichkeiten für Ergotherapie, ein Sanitätshaus mit ambulantem Pflegedienst und sogar eine Salzgrotte – ein besonderes Entspannungsangebot an die Halberstädter.

Im Ärztehaus praktiziert auch Carola Janschinski – erstmals nicht mehr allein, sondern in Praxisgemeinschaft mit dem Lungenspezialisten Thomas Ulrich. "Ich wollte nicht mehr in einer Einzelpraxis arbeiten, außerdem ergänzen sich Kardiologie und Pneumologie sehr gut." Ein Gemeinschaftswerk ist auch der Ausbau der gegenüberliegenden Turnhalle. Ab März praktizieren hier Physiotherapeuten und ein Zahnarzt, außerdem soll die Halle für Rehasport genutzt werden, Sportvereine können sich einmieten. Es ist viel möglich, wenn sich Ärzte auf ihre Gemeinsamkeiten besinnen. Die Vereinsvorsitzende jedenfalls hat noch jede Menge Ideen. "Etwas Mut gehört allerdings dazu. Den haben nicht alle."

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