Vorschlag für Aufschub beim Kodieren erntet Zustimmung

Minister Rösler will die AKR länger testen lassen. Kassen und Ärzte finden das gut - streiten aber schon wieder.

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In der Welt der Codes: Nun soll es etwas mehr Zeit geben.

In der Welt der Codes: Nun soll es etwas mehr Zeit geben.

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BERLIN (hom/mn). Krankenkassen und Ärzteverbände haben den Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP), den Testlauf für die umstrittenen Ambulanten Kodierrichtlinien (AKR) um ein halbes Jahr zu verlängern, einhellig begrüßt. "Aufgrund der Initiative des Ministers werden wir jetzt zu diesem Thema noch einmal das Gespräch mit der KBV suchen", sagte der Sprecher des GKV-Spitzenverbands Florian Lanz der "Ärzte Zeitung".

Zuvor hatte bereits der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Köhler, in einem Schreiben an Rösler erklärt, die Verlängerung der Übergangs- und Einführungsphase für die Kodierrichtlinien sei ganz im Sinne der KBV. Ursprünglich sollte die Testphase für die AKR am 30. Juni enden.

Rösler hatte einen zeitlichen Aufschub um sechs Monate vorgeschlagen. Die Zeit solle genutzt werden, um die Handhabung der AKR in den Praxen zu erleichtern (wir berichteten). Ärzte hatten zuletzt immer wieder kritisiert, die neuen AKR führten zu einem erheblichen Mehraufwand an Bürokratie in ihren Praxen.

Auch KBV-Chef Köhler betonte, die "Maßnahmen zur Erleichterung der Handhabung" der neuen Kodierrichtlinien seien noch nicht abgeschlossen. Daher halte er eine längere Einführungsphase für "angezeigt". Erfolgreich könnten die Verhandlungen mit den Kassen aber nur laufen, wenn drei Sachverhalte erfüllt seien:

  • Die Verpflichtung für die Vertragsärzte, die Schlüsselnummern der ICD-10-GM 2011 fünfstellig anzugeben, müsse überprüft werden. Diese Vorgabe bedeute für die Ärzte "einen erheblichen Mehraufwand" beim Kodieren von Diagnosen, so Köhler.
  • Die AKR müssten stärker auf den hausärztlichen Versorgungsbereich zugeschnitten werden. Dort anfallende Behandlungen würden durch die ICD-10-GM nicht adäquat abgebildet. Eine interne Arbeitsgruppe der KBV habe daher bereits Vorschläge erarbeitet, wie der hausärztliche Bereich bei der Kodierung besser abgebildet werden könne. Das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) habe entsprechende Überlegungen aber kritisch beurteilt. Diese Haltung sei zu überdenken, fordert Köhler.

  • Schließlich dürfe die Verlängerung des AKR-Testlaufs keine Nachteile bei den Arzthonoraren nach sich ziehen. Es sei aber zu befürchten, so Köhler, dass der GKV-Spitzenverband neue Verhandlungen
  • über die AKR nutzen werde, um die morbiditätsbedingte Anhebung der Arzthonorare - beginnend 2013 - in Frage zu stellen. Dies sei für die KBV aber inakzeptabel. Die Ärztehonorare seien angemessen weiterzuentwickeln.

Der GKV-Spitzenverband reagierte verwundert. Es sei schon erstaunlich, so Sprecher Lanz, "dass die Ärzte einerseits nach steigender Morbidität vergütet werden wollen, aber andererseits kein überschäumendes Engagement zeigen, wenn es darum geht, diese verlässlich zu messen".

Lesen Sie dazu auch: AKR: "Geld muss bei dem ankommen, der Leistung erbringt"

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Kommentare
Dr. Jürgen Schmidt 17.02.201120:10 Uhr

So geht es nicht!

Es kommt vor, dass Kommentare zu Personalfragen der ärztlichen Berufspolitik den einen oder anderen Punkt treffen, sogar gut, gelegentlich brillant formuliert sind, auf positive Resonanz bei den Lesern stoßen und trotzdem schaden können. Schaden, wenn zugleich der Eindruck entsteht, dass dem Verbalisationsvermögen des Kommentators auch die Tiefe seiner Gedanken entspricht und man eigentlich nur ein paar Personen an der berufspolitischen Spitze (gegen Leute wie den Kommentator?) austauschen müsse, damit alles besser werde.

Dieser Eindruck wäre falsch und schädlich, denn die Ursache der Misere liegt tiefer.
Das Spitzenpersonal einer politischen Gruppierung spiegelt immer auch deren Zustand. Zwar ist die Ärzteschaft nur begrenzt als politische Gruppe fassbar (das ist ein Teil der Misere), versucht man aber einmal die Frage der Elitenbildung in dieser Gruppe zu analysieren und mit professionellen Mustern in Wirtschaft und Industrie zu vergleichen, stößt man auf wenige Gemeinsamkeiten und entscheidende Unterschiede.

Um es vorweg einzuflechten: Wenn man als Arzt genügend berufspolitische Kenntnisse erworben hat (diese stellt man nicht durch überzogen formulierte Kommentare unter Beweis und braucht für den Erwreb auch schon etwas mehr als eine halbe Stunde tgl. Ärztezeitung lesen) und über praktische Erfahrung (sowie Zeit!) verfügt, ist es vom Lebensalter oft schon zu spät, an den politischen Strukturen der Berufsgruppe etwas ändern zu wollen.

Im Ergebnis zeigt sich, dass der Typus des Mikropolitikers in der ärztlichen Berufspolitik weit verbreitet ist. Damit ist nach soziologischen Kategorien jener Politikertyp gemeint, der sich politisch über emotionale Basisvernetzung, Interessenlagen (Fachgruppenfrömmigkeiten inbegriffen) und persönliche Bindungen einrichtet und weitsichtige Problemstellungen oder strittige Profilierungen vermeidet. Damit ist – trotz Mittelmaß - die mittlere Führungsebene leicht erreichbar und damit die Teilhabe an der entsprechenden Geltung und anderweitigen Entlohnung. Solchermaßen wird die Misere „pragmatisch“ verwaltet. Dass der reine Idealist im Extremfall nicht weniger schädlich sein kann, sei an dieser Stelle nur erwähnt.

Wenn die Führungsriegen durch Mittelmaß komplettiert sind und daraus auch die Spitze hervor geht, muss Mikropolitik auf höherem Niveau organisiert werden, an die Stelle kleiner treten große Gruppen, die verbindenden Ideen werden aber nicht komplexer sondern degenerieren zu plakativen Parolen. (Manchmal kommen trotzdem gute Leute an die Spitze und bleiben - je nach Konstellation oder solange die Leidensfähigkeit reicht)

Negative Elitenbildung lässt sich nur durch eine Politisierung der Basis (sind doch viele Einserabiturienten), durch eine Schärfung der Urteilskraft auf dominante Entscheidungskriterien, die Ausrichtung auf konsistente Konzepte und weit gefasste Horizonte aufhalten und verändern. Daran hat es in der Vergangenheit einerseits deshalb gefehlt, weil die Führung sich dieser Aufgabe nicht gestellt hat (warum wohl?), aber auch, weil es einer Mehrheit der Ärzteschaft möglich war, ihr Eigenwohl – auch zu Lasten der Gemeinschaft – mit subjektiv erfreulichem Ergebnis zu verfolgen, so dass an Berufspolitik überhaupt kein Interesse bestand.
Bewegungen „ von unten“ wie die Netze blieben unpolitisch.
Mit einer Politisierung der Basis hätte auch eine weitere Öffnung für innovative Strukturkonzepte einher gehen können und müssen, so dass DMP’s und MVZ’s nicht hätten oktroyiert, sondern Alternativen in eigener (!) Regie etabliert werden können.

Es wäre derzeit schon gut, wenn sich Kritik an den Zuständen nicht in Sottisen erschöpfen, sondern Zusammenhänge nachvollziehbar erläutern und von konstruktiven Vorschlägen begleitetet werden würde. Änderungen des Denkens und der Urteilsbildung vollziehen sich langsam. Ein paar junge Leser, denen – auch zwischen den Zeilen - ein Licht aufgegangen ist, wären hilfreich- - - und zum Abschluss: Etwaige Ähnlichkeit

Dr. Thomas Georg Schätzler 17.02.201117:37 Uhr

AKR: KBV rudert zurück und zugleich an die Spitze!

Das liebe ich so an unserer KBV: Nachdem sie uns beinahe täglich aufgefordert hat, die AKR unverzüglich und untertänigst anzuwenden, und KBV-Chef, Kollege Dr. med. Andreas Köhler ein Menetekel negativer Folgen bei Nichterfüllung an die Wand warf, stellt er sich nun an die Spitze der AKR-Gegner: "Verlängerung der Übergangs- und Einführungsphase für die Kodierrichtlinien sei ganz im Sinne der KBV" (KBV-Brief an Dr. med. Philipp Rösler, BGM). "Maßnahmen zur Erleichterung der Handhabung" seien mit Bedingungen zu verknüpfen wie
a) Überdenken der 5-Stelligen Kodierungstiefe
b) hausärztliche Anwenderfreundlichkeit
c) Honorarneutralität der Fristverlängerung (O-Ton KBV).

Ich bin versucht zu fragen, ob die KBV die Online-Petition beim Deutschen Bundestag gegen ihre eigene AKR auch mitgezeichnet hat? Und ich frage mich, was der GKV-Spitzenverband wieder nicht begriffen hat? Deren Sprecher, Herr Florian Lanz: "dass die Ärzte einerseits nach steigender Morbidität vergütet werden wollen, aber andererseits kein überschäumendes Engagement zeigen, wenn es darum geht, diese verlässlich zu messen". Ganz im Vertrauen, Herr Lanz, die "Messung der Morbidität" gelingt nur durch genuin ärztliche Tätigkeit, ihre Kodierung ist nur angewandte Informatik.

Freundliche, kollegiale Grüße, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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