Weichenstellung für neue Aufgaben

Mit dem Selbstverständnis, Heilberufler zu sein, nehmen auch die Anforderungen an die Apotheker in der Offizin zu. Auch für den neuen DAV-Vorsitzenden Fritz Becker ist klar, dass kein Weg an Qualifizierungsmaßnahmen vorbeigeht, um sich im Gesundheitsmarkt langfristig zu positionieren.

Ruth NeyVon Ruth Ney Veröffentlicht:

ApothekerPlus: Es gibt einige aktuelle Beispiele, die zeigen, dass sich Apotheker verstärkt in den Bereichen Patientenversorgung und Prävention einbringen. Welche Ziele haben Sie sich als neuer DAV-Vorsitzender in diesen Bereichen gesetzt?

Fritz Becker: Der DAV hat sich bis jetzt um Arzneimittelverträge und Arzneilieferverträge gekümmert. Ich denke, dass es in Zukunft zu einer stärkeren Rundumversorgung kommen wird und dass wir dann mehr Versorgungsverträge verhandeln. Zu einem bereits verhandelten Diabetes-Vertrag könnte zum Beispiel ein COPD-Vertrag dazukommen. Dabei soll aber kein Konkurrenzdenken zu den Ärzten entstehen. Im Gegenteil: Wir sind in Abstimmung mit der Ärzteschaft für die Versorgung des Patienten da.

ApothekerPlus: Der Vertrag zur Diabetesberatung läuft nur mit der Barmer. Ist angedacht, einen solchen Vertrag auch kassenübergreifend zu etablieren?

Becker: Man könnte sicherlich so etwas machen, aber die Krankenkassen werden sich künftig noch stärker über solche Verträge abgrenzen, da sie ja Schwierigkeiten haben, sich im Beitrag abzugrenzen. Ich denke, dass es häufiger zu Einzelverträgen kommt.

ApothekerPlus: Gibt es da schon weitere konkrete Projekte?

Becker: Nein. Es wird zwar im Moment schon über Raucherentwöhnungsprogramme diskutiert und über Verträge zur Ernährungsberatung. Aber die Krankenkassen sind noch zurückhaltend, weil sie nicht wissen, wie sich ihre finanzielle Lage insgesamt entwickeln wird.

ApothekerPlus: Zur Prävention gehört ja auch der Aspekt Arzneimitteltherapiesicherheit. In diesem Zusammenhang wurden vom DAV auch stets die Rabattverträge als ein Unsicherheitsfaktor kritisiert. Werden Sie weiter bei diesem Thema aktiv sein?

Becker: Wir werden die Rabattverträge intensiv begleiten. Dazu sind wir im permanenten Austausch mit den Krankenkassen. Denn es kann nicht sein, dass nur der finanzielle Aspekt gesehen wird und der Patient auf der Strecke bleibt. Pharmazeutische Bedenken müssen hier klar formuliert werden.Und diese müssen der Maßstab für die Verträge von Kassen sein.

ApothekerPlus: Sind Zielpreisvereinbarungen noch ein Thema?

Becker: Zielpreisvereinbarungen bringen wir immer wieder ins Spiel, weil es damit Möglichkeiten gibt, auch auf Compliance-Probleme einzugehen. Vielleicht gelingt uns sogar ein echtes Pilotprojekt. Dann könnten wir beweisen, dass man mit den Zielpreisen zum einen sparen und zum anderen Patienten helfen kann.

ApothekerPlus: Im Februar wird wahrscheinlich die 15. AMG-Novelle im Kabinett verhandelt. Noch im Dezember wurde im Eckpunktepapier auch erwähnt, dass Apothekern mehr Verantwortung als Medikationsmanager zugewiesen werden sollte. Das ist eine wichtige pharmazeutische Kompetenz, die auch im SGB V Eingang hätte finden sollen, jetzt aber im vorliegenden Gesetzesentwurf nicht mehr vorkommt. Woran liegt das?

Becker: Genau kann ich das auch nicht sagen. Wir werden das Thema Medikationsmanagement aber weiter in die politische Diskussion bringen, um hier die Vorteile aufzuzeigen. Mal sehen, was dann letztlich im Kabinettsentwurf steht.

ApothekerPlus: Was gehört für Sie alles zu einem Medikationsmanagement?

Becker: Zunächst einmal gehört die Überwachung der Compliance dazu, die Überwachung der Wechselwirkungen und auch die Reichweitenberechnung von Medikamenten. Wir stellen immer wieder fest, dass ein Patient eine Summe X aufgeschrieben bekommt und Arzt und Apotheker sich wundern, dass er nach kurzer Zeit wieder eine neue Packung haben möchte oder dass er erst wieder zum Arzt kommt, wenn er die Packung schon längst eingenommen haben sollte. Ganz wichtig wäre natürlich beim Medikationsmanagement, wenn auch die Selbstmedikation mit erfasst werden würde.

ApothekerPlus: Wie beurteilen Sie die Chancen, diese neuen Aufgaben für Apotheker politisch durchzusetzen?

Becker: Ich glaube, dass da schon große Chancen bestehen. Wir haben in den letzten Jahren unsere Position als Heilberufler gestärkt und man traut uns so etwas zu. Ganz klar muss ich auch sagen, dass so eine Arbeit qualitätsgesichert sein muss. Ein Apotheker muss schließlich zeigen, dass er das notwendige Handwerkszeug zum Medikationsmanagement hat und dass er sich mit Schulungen entsprechend qualifiziert hat. Im Rahmen des Barmer-Vertrages muss zum Beispiel eine Schulung zur Diabetesberatung absolviert werden.

ApothekerPlus: Welche Resonanz hören Sie denn bei Ihren Berufskollegen in der Offizin auf solche Konzepte?

Becker: Überwiegend herrscht Zustimmung. Es gibt sicherlich aber auch den einen oder anderen, der kritisch ist. Aber gerade viele junge Kollegen sehen hier sehr wohl Chancen für den Beruf und machen mit.

ApothekerPlus: Könnten Sie sich einen zeitlichen Rahmen vorstellen, wann sich ein solches Medikationsmanagement politisch durchsetzt?

Becker: Ich gehe davon aus, dass das mittelfristig verankert werden kann.

ApothekerPlus: Noch einmal zurück zum Referentenentwurf 15. AMG- Novelle. Da heißt es, dass außer Apothekern auch die pharmazeutischen Hersteller und der Großhandel in den Versorgungsauftrag einbezogen werden sollen. Wie steht denn der DAV zu dieser möglichen Änderung?

Becker: Ob der Großhandel unbedingt auf diese Art und Weise einbezogen werden muss, sehe ich sehr differenziert. Man könnte das auch anders regeln. Prinzipiell bin ich aber aus Sicht der niedergelassenen Apotheker dafür, dass der Großhandel uns weiter voll versorgt - gerade im Hinblick auf Bestrebungen mancher Hersteller, das Direct-To-Pharmacy-Geschäft auszubauen.

ApothekerPlus: Was sagen Sie zu einem Fixzuschlag für Großhändler?

Becker: Er passt ins System, wir haben ja auch den Fixzuschlag. Über die Zahlen müsste man noch diskutieren.

ApothekerPlus: Nach der Stellungnahme von Yves Bot vor dem EuGH zum Fremdbesitzverbot ist die Anspannung in der Apothekerschaft etwas gewichen. Lässt das Ihnen nun auch mehr Spielraum, sich auf andere berufspolitische und wirtschaftliche Themen zu konzentrieren?

Becker: Wir warten erst einmal das Urteil des EuGH ab. Die Arbeit auf diesem Gebiet wird nicht nachlassen, um Politik und die Partner zu überzeugen, dass die inhabergeführte Individual- apotheke der beste Versorgungsweg ist.

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