Atemalkoholtest benachteiligt kleine Menschen

Die Diskussion über die Zuverlässigkeit von Atemalkoholtests der Polizei reißt nicht ab. So bezweifeln Rechtsmediziner etwa seit längerem, daß die Umrechnung von Atemalkohol (AAK) in Blutalkoholkonzentration (BAK) mit dem derzeit verwendeten Konversionsfaktor zu richtigen Ergebnissen führt.

Von Nicola Siegmund-Schultze Veröffentlicht:

Jetzt sorgt eine Studie des Instituts für Rechtsmedizin der Uni Magdeburg für weitere Diskussionen: Die Lungenfunktion ist viel stärker vom Körperbau abhängig, als dies bisher bei dem standardisierten Test berücksichtigt wird. Große Menschen haben beim Atemalkoholtest so einen klaren Vorteil vor kleinen.

"Aufgefallen ist uns das Problem, als wir bei Experimenten im Labor einen 28jährigen Mann mit einer Körpergröße von 158 cm zum Test gebeten haben", berichtete Dr. Holger Wittig aus Magdeburg bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin in Göttingen.

"Das Gerät Alcotest 7110 Evidential, in Deutschland bei Routinetests bei der Polizei im Einsatz, zeigte an, daß das für eine Alkoholmessung nötige Mindest-Atemvolumen nicht erreicht werde. Erst als wir in das Geräteprogramm eingaben, es handele sich um eine 64jährige Frau, erreichte der Mann das notwendige Atemvolumen."

Das Gerät des Unternehmens Dräger für Atemalkohol-Tests berücksichtigt Alter und Geschlecht einer Testperson, nicht aber die Körpergröße. Die Vitalkapazität jedoch, also das Luftvolumen bei maximalem Ein- und maximalem Ausatmen, ist stärker von der Körpergröße abhängig als vom Alter.

Bei Männern etwa steige die Vitalkapazität durchschnittlich um knapp 100 ml pro Zentimeter Körperlänge, sinke aber zwischen dem 20. und dem 60. Lebensjahr unabhängig vom Ausgangswert nur um etwa 500 ml ab, berichtete Wittig. So hat ein 158 cm großer Mann etwa eine Vitalkapazität von knapp vier Litern, ein Zweimeter-Hühne jedoch eine fast doppelt so große (7,8 Liter). Bei der geräteinternen Normwertfestlegung werde dies nicht berücksichtigt, bemängeln die Magdeburger Forscher.

Die Folge: Je kleiner eine Person ist, desto größer ist bei einer definierten BAK die AAK. Denn größere Menschen haben ein höheres Residualvolumen und benötigen viel weniger tiefe Lungenluft, um eine gültige Messung auszulösen. "Der Test zeigt bei einem kleinen Menschen eher als bei einem großen die reale AAK an, nämlich den Alkoholgehalt in der Alveolarluft", sagte Wittig der "Ärzte Zeitung". Der Hersteller könne das Programm entsprechend ändern, dürfe dies aber nur nach einem Signal vom Gesetzgeber.

Selbst wenn die Körpergröße künftig berücksichtigt würde - das nächste Problem mit der AAK-Bestimmung ist schon auf dem Tisch. Das Magdeburger Team um Professor Dieter Krause hat festgestellt, das ethanolhaltige Arzneien die Meßergebnisse verfälschen können. Dr. Katja Jachau und ihre Kollegen testeten den Einfluß von vier ethanolhaltigen, oralen Pharmaka (Tropfen gegen Tonsillitis, Erkältungskrankheiten und Zystitis) und von vier Asthmasprays auf die AAK-Messung mit dem Gerät des Unternehmens Dräger.

Versuchspersonen, die keinen Alkohol getrunken hatten, schluckten die oralen Mittel in der Höchstdosis und machten zwei, zehn und zwanzig Minuten später den Alkoholtest. Bei den Asthmasprays erhielten die Probanden zwei Sprühstöße zwei Minuten vor der ersten Atemprobe, weitere AAK-Bestimmungen erfolgten nach fünf und zehn Minuten.

Bei den Tropfen kam es zehn Minuten nach der Aufnahme zu Werten bis zu 0,1 mg Ethanol/l Atemluft. Bei den Sprays erreichten die Werte bis 0,3 mg/l. "Das könnte schon zu falsch-positiven Messungen führen", so Jachau. Asthmasprays dürften zwar bei Routinekontrollen nicht unmittelbar vor dem Test angewendet werden. Wenn ein Asthmatiker das Medikament aber zehn Minuten zuvor benutzt habe, könne dies das Ergebnis des AAK-Tests verfälschen.



STICHWORT

Atemalkoholwert

Der Atemalkoholtest gilt in Deutschland seit April 1998 als beweissicheres Instrument, um Kraftfahrer verbotenen hohen Alkoholkonsums zu überführen. Dies gilt aber nur für Alkoholmengen, die im Bereich einer Ordnungswidrigkeit liegen, also zwischen 0,25 mg Ethanol pro Liter Ausatemluft (der gegenwärtigen Umrechnung entsprechend einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 Promille) bis 0,5045 mg Ethanol/l (1,09 Promille Blutalkohol). Ab 1,1 Promille Blutalkohol liegt ein Straftatbestand vor. (nsi)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Porträts: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

© Portraits: [M] Feldkamp; Luster | Hirn: grandeduc / stock.adobe.com

„ÄrzteTag extra“-Podcast

Die Schilddrüse tickt in jedem Lebensalter anders

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt am Main
Abb. 1: Studie DECLARE-TIMI 58: primärer Endpunkt „kardiovaskulärer Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz“ in der Gesamtkohorte

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [4]

Diabetes mellitus Typ 2

Diabetes mellitus Typ 2 Präventiv statt reaktiv: Bei Typ-2-Diabetes mit Risikokonstellation Folgeerkrankungen verhindern

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

© Springer Medizin Verlag

Unternehmen im Fokus

Patientenzentrierter Ansatz und europäische Produktion

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Advanz Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Sie fragen – Experten antworten

Impfung gegen Gelbfieber: Ist eine Auffrischung nötig?

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung