Viele Jugendliche saufen, bis der Notarzt kommt

BERLIN (run/dpa). Der Alkoholkonsum bei Jugendlichen gerät offenbar zunehmend außer Kontrolle. So hat die Zahl der Alkoholvergiftungen bei Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren drastisch zugenommen. Von 2000 bis 2004 stieg sie um 50 Prozent.

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Erst im April war ein 16 Jahre alter Berliner Schüler durch eine Alkoholvergiftung gestorben. Der Gymnasiast soll an einem Abend mehr als 50 Gläser Tequila getrunken haben. Jetzt wurde wieder ein 13-jähriger mit einer Alkoholvergiftung in Stralsund auf die Intensivstation einer Klinik aufgenommen Bei dem Jungen wurde ein Alkoholwert von 3,18 Promille festgestellt. Er hatte zusammen mit zwei Gleichaltrigen zwei Flaschen Schnaps geleert.

Nur britische Jugendliche trinken mehr als die deutschen

Auch die Zahlen des Statistischen Bundesamtes sind alarmierend: Danach tranken 2004 insgesamt 17 931 Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren bis zur Alkoholvergiftung. 2000 waren es "nur" 12 035 gewesen. Und eine aktuelle Studie des UN-Kinderhilfswerks Unicef ergab: Im Vergleich von 21 Industrienationen trinken nur die britischen Kinder mehr Alkohol als die deutschen. Bestätigt wird der Besorgnis erregende Trend auch durch die bisherigen Ergebnisse des Modellprojekts "HaLT - Hart am Limit". Es soll Kindern und Jugendlichen helfen, die durch einen übermäßigen Alkoholkonsum aufgefallen sind.

So sind die Hälfte der Jugendlichen, die in dem Projekt aufgefallen sind jünger als 16 Jahre. Mehr als 50 Prozent der betroffenen Jugendlichen hatten über zwei Promille im Blut, als sie ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Nach der Erfahrung von Michael Steiner von der Prognos AG aus Basel, die das Projekt wissenschaftlich begleitet, nennen viele Kinder und Jugendliche als Grund für das übermäßige Trinken den Zeitvertreib. Viele seien auch einfach naiv im Umgang mit Alkohol.

Bei Hochprozentigem setzt das Ekelgefühl oft zu spät ein

Dabei sind die Folgen von Alkoholmissbrauch für Jugendliche besonders schwer wiegend, wie der Toxikologe Fritz Pragst von der Charité Berlin hinweist. Vor allem das Gehirn sei in Gefahr, da es erst im Alter von etwa 17 Jahren voll ausgereift sei und somit durch Alkohol leicht geschädigt werde. Gefährlich sei auch das schnelle Trinken von Hochprozentigem. Dabei setze die toxische Wirkung noch vor dem Ekelgefühl ein. So hat auch der verstorbene Berliner Gymnasiast 52 Schnäpse trinken können, bevor er ins Koma fiel. Hinzu kommt, dass gerade junge Trinker besonders suchtgefährdet sind.

Immer mehr Organisationen wie die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen fordern daher Werbeschränkungen für Alkohol, eine verstärkte Alters-Kontrolle beim Alkoholverkauf beziehungsweise ein Alkoholverbot für unter 18-Jährige. Die Innenminister von Bund und Ländern haben zudem vergangene Woche für ein Verbot von Flatrate-Partys in Gaststätten mit unbegrenztem Alkoholkonsum zum Pauschalpreis plädiert.

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