Reiche Männer haben Zeit und sollen ihre Frauen jeden Tag beglücken

Von Siegmund Kalinski Veröffentlicht:

Ist Viagra koscher? Unter diesem frappierenden Titel hielt unlängst Dr. Yves Andre Bara in der Jüdischen Gemeinde Frankfurt am Main einen Vortrag, der sich großen Interesses erfreute. Das Thema fand auch Platz im Programm des Kirchenfunks des Hessischen Rundfunks, der darüber ausführlich berichtete.

Dr. Yves Andre Bara, Leiter der medizinischen Kommunikation der Pfizer GmbH in Karlsruhe, ist zwar kein religiöser Jude, hat sich aber längere Zeit mit dem sexuellen Verhalten der streng orthodoxen Juden beschäftigt, die ihr Leben strikt nach den Geboten der Mischna führen. Die im Titel gestellte Frage war eher marginal und bekam erst zum Schluß eine Antwort.

Frauen haben bei orthodoxen Juden eine Vielzahl von Rechten

Die Mischna ist die Sammlung der jüdischen religiösen Vorschriften, die etwa 200 Jahre nach Christi entstanden sind und auch heute noch von streng orthodoxen Juden eingehalten werden. In der Mischna sind auch Vorschriften für das sexuelle Verhalten in der Ehe enthalten.

Bara hob hervor, daß die Frau bei den orthodoxen Juden über eine Vielzahl von Rechten verfügt, die sie in anderen Religionen in dieser Form nicht hat, weil die viel stärker auf das männliche Geschlecht ausgerichtet sind.

So ist etwa die Vergewaltigung in der Ehe bei den Juden seit Hunderten von Jahren verboten, wohingegen im zivilisierten Europa dieses Delikt meist erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts seinen Einzug in die bürgerliche Strafgesetzgebung der einzelnen Staaten fand.

Die Sexualität der orthodoxen Juden sieht im ehelichen Beischlaf auch nicht den Hauptzweck, Kinder zu zeugen. Zwar wollen auch sie sich selbstverständlich wie andere Völker fortpflanzen, um so mehr, als ihnen in der Heiligen Schrift empfohlen wird, sich "wie Sand am Meer" zu vermehren. Sinn und Zweck der jüdischen Sexualität, gemäß der Mischna, ist jedoch Förderung und Erhalt der Ehe.

Aus diesen Gründen regelt die Mischna auch genau den sexuellen Verkehr der Eheleute. Prinzipiell ist der Ehemann verpflichtet, regelmäßigen Verkehr mit seiner Frau zu haben. Die Häufigkeit ist allerdings abhängig von seiner beruflichen Betätigung. Ein reicher Mann, der keine besondere Beschäftigung ausübt, sollte seinen Ehepflichten jeden Tag nachkommen. Für einen Arbeiter wird der eheliche Beischlaf zweimal pro Woche empfohlen.

Ein Eselstreiber, der nur zum Sabbat heimkehrt, sollte es einmal wöchentlich tun, ein armer Kameltreiber, der noch seltener nach Hause zurückkommt, einmal monatlich, und Seeleute, die meist noch länger unterwegs sind, sollten trotzdem zumindest alle sechs Monate ihrer Pflicht zum ehelichen Beischlaf nachkommen.

Verweigert der Mann den Beischlaf, wird der Rabbiner aktiv

Erfüllt der Ehemann seine Pflichten nicht, hat die Ehefrau das Recht, sich beim Rabbiner zu beschweren. Wenn der Ehemann auch nach einer Rüge des Rabbiners sein Verhalten nicht ändert und weiterhin seine ehelichen Pflichten nicht erfüllt, hat die Ehefrau berechtigten Grund, die Scheidung zu verlangen.

Gemäß der religiösen Gebote hat die Erhaltung des Lebens und der Gesundheit für die Juden allerhöchsten Rang. Die Heilung von einer Krankheit und die Behandlung des Patienten haben Vorrang vor allen anderen Geboten und Verboten.

Nach diesem Grundsatz wird auch die Frage, ob Viagra koscher ist, entschieden. Eigentlich, sagt Dr. Yves Andre Bara, ist Viagra nicht koscher, da ein Bestandteil dieses Präparates von einem Tier stammt und man nicht sicher feststellen kann, ob das Tier rituell geschächtet wurde oder nicht. Ergo müßte Viagra als nicht koscher gelten. Viagra ist aber zugleich ein Medikament, das zur Behebung eines Leidens, der erektilen Dysfunktion, angewandt wird, also muß Viagra wie alle anderen Arzneimittel behandelt werden - und ist somit koscher.

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