Der Langlauf-Teamarzt: "mehr oder weniger der Hausarzt der Athleten"

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Bei den Olympischen Winterspielen stehen derzeit die Langläufer im Zentrum der Aufmerksamkeit. Nach den Razzien im Quartier der Österreicher, betonte der deutsche Cheftrainer Jochen Behle, daß es im deutschen Lager keinen Besuch von der Polizei gegeben habe. Die deutschen Langläufer stehen vor allem wegen ihrer Leistungen im Zentrum.

Bei den Herren sind es nämlich die deutschen Athleten, die neuerdings Maßstäbe in dieser Sportart setzen. Zweimal in Folge haben deutsche Läufer den Gesamtweltcup gewonnen. Auch in diesem Jahr führt mit Tobias Angerer ein Deutscher die Gesamt-Wertung an.

Kein Wunder, daß die Mannschaft Hoffnungsträger für die Winterspiele war und noch ist - der letzte Wettbewerb, das 50-km-Rennen, findet erst am letzten Olympia-Tag statt. Wie kommt es, daß die deutschen Langläufer so gut sind? Auch Verbesserungen in der medizinischen Betreuung sollen Gründe für den Erfolg sein. Doch der Teamarzt wiegelt bescheiden ab und verweist auf ein verbessertes Training.

Seit 2001 trainieren die Langläufer nicht mehr allein

Der Wandel begann in der Tat im Jahr 2001, als das Training der Athleten maßgeblich umgestellt wurde. Zuvor hatten die meisten Trainingslager besucht und anschließend wochenlang anhand von Plänen allein trainiert.

Seit 2001 gibt es eine maßgeschneiderte Betreuung jedes einzelnen Läufers durch einen sogenannten Stützpunkttrainer. In Ruhpolding ist das Bernd Raupach. Er trainiert seine Schützlinge vor Ort, ist aber auch bei den Wettkämpfen der Nationalmannschaft mit dabei.

Raupach, der vor allem für die Langlauf-Damen zuständig ist, hat deutliche Verbesserungen im medizinischen Bereich beobachtet. "Neuerdings haben wir ein mobiles Laktat-Meßgerät im Training dabei", erzählt er. Das sei zwar für sich genommen noch keine Erfolgsgarantie, aber doch eine bedeutende Innovation.

Raupachs Athleten nehmen außerdem zweimal im Jahr an einem Labortest an der Uni München teil, bei dem Laktatwerte und Herzfrequenzen unter Belastung gemessen werden. "Danach wird dann das Training gesteuert", sagt Raupach. Das mobile Meßgerät erleichtert die Kontrollen zwischendurch. Dazu komme eine verbesserte Kommunikation zwischen Trainern und Ärzten.

Teamarzt Dr. Ulrich Schneider dagegen bestreitet, daß die Mediziner Entscheidendes zu den aktuellen Erfolgen des deutschen Teams beigetragen haben. "Wir betreiben keinen Zauber", so Schneider. "Man ist mehr oder weniger der Hausarzt der Athleten." Schneider sieht seine Rolle als ständiger Beobachter - und nicht ohne Grund. Schon der kleinste Schnupfen beeinträchtigt die Ausdauersportler erheblich. Bei jedem Wettkampf ist Schneider bei Verletzungen sofort zur Stelle.

Daß der Arzt sich nur vorsichtig zur Rolle des Mediziners für den Erfolg des Teams äußern will, ist verständlich. Wie in jeder Ausdauersportart ist auch im Langlauf das Thema Doping präsent - momentan sind die österreichischen Langläufer ja im Visier der Doping-Fahnder.

Schneider legt viel Wert darauf, daß es nicht in erster Linie Aufgabe der Sportmedizin ist, Leistung zu steigern, sondern Krankheiten zu vermeiden oder dagegen zu behandeln. "Es geht hier immer noch um Menschen, nicht darum, die Produktivität von Maschinen zu erhöhen."

Obwohl gerade beim Ausdauersport im Winter häufig Infekte auftreten und viele Langläufer wegen der Extrembelastung in kalter und trockener Luft an Asthma leiden, hält Schneider die Sportart nicht für ungesund. Die Ärzte seien ja dafür da, Schäden zu vermeiden, sagt er.

"Das ist auch eine Frage der Ethik - wenn die Gesundheit eines Athleten nur im geringsten gefährdet ist, dann ist es unsere Aufgabe, ihn aus dem Rennen zu nehmen." Im Vorfeld der Spiele hatten einige deutsche Langläufer Schnupfen, doch gravierende Infekte blieben aus. Die deutschen Langläufer sind fast alle fit. (bös/dpa)

Lesen Sie dazu auch: Doping-Skandal - Hollywood wäre das nicht eingefallen

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