Handlungsbedarf auch bei leichtem metabolischen Syndrom

BARCELONA (ikr). Patienten mit beginnendem metabolischen Syndrom, das heißt mit leichter Hypertonie, Übergewicht, leicht eingeschränkter Glukosetoleranz und leicht erhöhten Fettwerten sollten ihren Lebensstil ändern, und zwar durch Gewichtsreduktion und regelmäßigen Sport. Gelingt dies jedoch nicht, rät Professor Prakash Deedwania aus San Francisco im US-Staat Kalifornien zu einer zusätzlichen Behandlung mit Antihypertensiva und Lipidsenkern, um das kardiovaskuläre und das Diabetes-Risiko zu minimieren.

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Das metabolische Syndrom ist ein wesentlicher kardiovaskulärer Risikofaktor. So ist die kardiovaskuläre Mortalität bei solchen Patienten um das Drei- bis Vierfache erhöht im Vergleich zu Personen ohne das Syndrom. Und das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, ist erhöht. Das hat Deedwania bei einem vom Unternehmen Novartis veranstalteten Symposium in Barcelona berichtet.

Bei einer 41jährigen Patientin mit beginnendem metabolischen Syndrom etwa besteht nach Ansicht des US-Kollegen aufgrund dieser Erkenntnisse dringend Handlungsbedarf. Die Kasuistik: Die Patientin sei zu einem allgemeinen Gesundheits-Check in die Praxis gekommen. Sie habe sich Sorgen um die eigene Gesundheit gemacht, nachdem ihre Mutter an einem ischämischen Hirninfarkt gestorben war.

Die Patientin hatte bei einer Gelegenheitsmessung des Blutdrucks in der Praxis einen Wert von 144/92 mmHg und einen durchschnittlichen Blutdruckwert von 138/90 mmHg nach mehreren Messungen. Sie hatte einen Ruhepuls von 86 Schlägen pro Minute, war deutlich übergewichtig mit 74 kg Körpergewicht bei einer Größe von 165 cm. Der Nüchtern-Plasma-Glukosewert betrug 6,2 mmol/l und das Gesamtcholesterin 5,43 mmol/l. Das HDL betrug 30 mg/dl und das LDL lag bei 140 mg/dl. Da bei der Patientin viele Parameter wenn auch nur grenzwertig bis leicht erhöht waren, empfahl der US-Kollege zunächst eine Änderung des Lebensstils mit Gewichtsreduktion und regelmäßigem Sport.

Deedwania: "Wir wissen, daß das kardiovaskuläre Risiko um so größer ist, je größer die Zahl der Risikofaktoren ist. Und wir wissen, daß sich das Risiko, neu an Typ-2-Diabetes zu erkranken, bei Patienten mit metabolischem Syndrom um 58 Prozent senken läßt. Das ist gut durch Studien belegt."

Bei der Kontrolle nach etwa acht Wochen stellte sich heraus, daß sich Körpergewicht, Blutdruck sowie Fett- und Glukosewerte trotz vorhergehender eingehender Beratung über Allgemeinmaßnahmen kaum verändert hatten. Die Patientin habe angegeben, daß dies wohl an ihrem starken beruflichen Streß liege, so der US-Kollege. Daraufhin verordnete er der Patientin zusätzlich eine Therapie mit dem AT-II-Blocker Valsartan (Diovan®) zur Blutdrucksenkung und einem Statin zur Normalisierung des Fettstoffwechsels.

Valsartan wählte der Kollege, weil man damit offenbar nicht nur die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität senken kann, sondern auch das Risiko für einen neu diagnostizierten Typ-2-Diabetes. Das belege die VALUE-Studie, in der mehr als 15  000 Hypertoniker mit hohem Risiko für eine Gefäßerkrankung für im Mittel 4,2 Jahre Valsartan oder den Ca-Antagonisten Amlodipin erhalten hatten.

Die kardialen Morbiditäts- und Mortalitätsraten waren mit dem AT-II-Blocker ähnlich wie mit dem Ca-Antagonisten, obwohl der Blutdruck - vermutlich wegen Unterdosierung - mit Valsartan um 2 mmHg höher war als mit Amlodipin. Offenbar bietet Valsartan einen vom Blutdruck unabhängigen kardiovaskulären Schutz. Zudem war mit dem AT-II-Blocker die Rate der Neuerkrankungen an Typ-2-Diabetes um 23 Prozent geringer als mit Amlodipin.



STICHWORT

Metabolisches Syndrom

Das metabolische Syndrom ist ein Symptomenkomplex aus androider Adipositas, gestörtem Kohlenhydratstoffwechsel, Fettstoffwechselstörung und Hypertonie. Das Risiko für eine kardiovaskuläre Erkrankung ist bei Männern mit metabolischem Syndrom um das 2,5fache erhöht im Vergleich zu Personen ohne das Syndrom. Bei Frauen ist das Risiko um den Faktor 1,6 erhöht. Und: Das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, ist bei Männern mit metabolischem Syndrom um das 4,8fache und bei Frauen um das 5,7fache erhöht.

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