Herzstillstand

Wissenslücken bei Vasopressoren

Zumindest kurzfristig profitieren Erwachsene mit Herzstillstand von Adrenalin. Aussagekräftige Daten zum Für oder Wider einer Therapie mit Vasopressin dagegen fehlen noch.

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Herzstillstand: Adrenalin ist Standard, bloß an den Daten mangelt es.

Herzstillstand: Adrenalin ist Standard, bloß an den Daten mangelt es.

© Theissen / imago

DENVER (ple). Trotz jahrelanger Anwendung von Vasopressoren bei Erwachsenen mit Herzstillstand gibt es nur wenige Daten zu deren Wirksamkeit während der kardiopulmonalen Reanimation im Vergleich zu Placebo.

Adrenalin hat zumindest einen kurzfristigen Nutzen durch Wiederherstellung der Spontanzirkulation, wie die Analyse mehrerer Studien ergeben hat. Die Substanz gilt seit mehr als vier Dekaden als wichtigstes sympathomimetisches Präparat bei der kardiopulmonalen Reanimation.

Daten zur Wirkung auf das Überleben mit guter neurologischer Erholung gibt es bisher nicht.

Das berichten US-Notfallmediziner, die jetzt eine umfangreiche Studienanalyse dazu vorgenommen haben. 1600 Studien zum Thema wurden ausgewählt, von denen 53 in die Endauswertung kamen (Resuscitation 2012; 83: 932).

Wie die Ärzte um Dr. Todd M. Larabee von der Universität von Colorado in Denver herausfanden, gibt es nur wenige Studien, die die Wirksamkeit von Vasopressoren bei Herzstillstand im Placebovergleich prüften.

Adrenalin sei zwar mit einer Verbesserung des Kurzzeitüberlebens assoziiert, verbessere aber nicht das Überleben mit guter neurologischer Erholung.

Larabee und seine Kollegen weisen darauf hin, dass Schlussfolgerungen aus den Studien auch deshalb so schwierig sind, weil nicht alle Ärzte in den entsprechenden Studien dazu bereit waren, Patienten der Placebogruppe zuzuordnen.

Aus der aktuellen Studienanalyse geht auch hervor, dass das antidiuretische Hormon Vasopressin als Erstlinienmedikament während der Reanimation im Vergleich zu Adrenalin mit Blick auf das Kurz- und Langzeitüberleben keinen Vorteil hat.

Die Analyse der Studien ergab schließlich auch, dass hochdosiertes Adrenalin im Vergleich zur Standarddosierung (empfohlen wird 1 mg i.v. alle 3-5 Minuten) das Langzeitüberleben nicht verbessert.

Doch aus drei von acht Studien geht hervor, dass hochdosiertes Adrenalin sehr wohl den Anteil der Patienten mit wiederhergestelltem Spontankreislauf erhöht.

Das bestätigt auch eine Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien mit den beiden Präparaten. Zudem ist offenbar die Kombination von Adrenalin mit Vasopressin der Monotherapie mit Adrenalin nicht überlegen.

Was derzeit noch fehlt, sind Studiendaten, die die Anwendung von hochdosiertem Adrenalin oder von anderen Vasopressoren während der Reanimation von Kindern mit Herzstillstand stützen.

Hoffnungen setzen Ärzte in die Anwendung des lang wirksamen Vasopressin-Analogons Terlipressin, das allerdings bisher nur bei wenigen Kindern geprüft wurde.

Auch wenn ein positiver Langzeiteffekt der Vasopressoren noch nicht belegt ist: Solange auf längere Sicht keine schädlichen Effekte der Präparate bei Patienten mit Herzstillstand nachweisbar seien, gebe es genug Evidenz, die den Kurzzeitnutzen belegen, so die US-Notfallärzte.

Deshalb plädieren sie dafür, dass Vasopressoren weiterhin Teil des ACLS-Algorithmus (Advanced Cardiac Life Support) sind.

Für ihre Analyse berücksichtigten die Ärzte Publikationen, die bis Mitte Oktober 2011 veröffentlicht wurden und an denen Patienten teilnahmen, deren Herzstillstand vor Aufnahme in die Klinik oder im Krankenhaus auftrat.

Aus einer japanischen Studie, die erst im Frühjahr 2012 veröffentlicht wurde, geht nun hervor, dass Adrenalin auch schaden kann. Wie berichtet erreichten in der Studie zwar mehr Patienten, die mit Adrenalin behandelt worden waren, mit einem spontanen Kreislauf die Klinik.

Aber den ersten Monat überlebten weniger im Vergleich zu Patienten, die ohne Adrenalin reanimiert wurden. Die japanischen Ärzte plädieren deshalb ebenfalls für ausreichend große placebokontrollierte Studien, um die Wirkung von Adrenalin definitiv zu klären.

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