Alternative zu Antibiotika

Phagen haben Bakterien zum Fressen gern

Die Suche nach neuen Antibiotika gestaltet sich schwierig. Eine mögliche Alternative: Phagen, die multiresistente Bakterien fressen und sogar gezielter eingesetzt werden könnten als Antibiotika.

Veröffentlicht:
Darstellung von Phagen (grün und gelb), die ein Bakterium (blau) angreifen.

Darstellung von Phagen (grün und gelb), die ein Bakterium (blau) angreifen.

© Barth van Rossum, FMP

BERLIN. Im Kampf gegen Antibiotikaresistenzen sind Bakteriophagen (kurz: Phagen) – natürlich vorkommende Viren, die bestimmte Bakterien angreifen und fressen – in den Fokus der Forschung geraten. Die Viren haben sich in Experimenten bereits als wirksam gegen multiresistente Bakterien erwiesen. Unbekannt ist jedoch, wie die kleinen Helfer auf atomarer Ebene aufgebaut sind. Forscher vom Leibniz-Forschungsinstitut für Molekulare Pharmakologie (FMP) in Berlin konnten jetzt eine neue Methode entwickeln, mit der sich die komplexe Struktur bis ins atomare Detail aufklären lässt (Angew Chem Int Edit, online 23. Juni).

Aufklärung der Phagenstruktur

Der genaue Aufbau der Phagen ist bislang nicht komplett bekannt. Dabei wäre es im Zuge der aktuellen Therapieentwicklung wichtig zu wissen, wie sie genau operieren und wie ihre 3D-Struktur im atomaren Detail aussieht. "Phagen sind von der Natur über Millionen von Jahren optimierte Nanomaschinen. Sie bestehen aus vielen Komponenten, die sich zu einer komplexen Architektur zusammenfügen.", wird Studienautor Professor Adam Lange vom FMP in einer Mitteilung des Forschungsinstituts zitiert.

Den Forschern ist es nun gelungen, Methoden der Festkörper-NMR (Kernspinresonanzspektroskopie) so weiterzuentwickeln, dass sich damit die Struktur der Phagen bis ins atomare Detail aufklären lässt. Etwa ein Jahr, schätzt Lange, werde er brauchen, um die komplexe Struktur der Phagen aufzuklären. "Bakteriophagen werden aufgrund der Antibiotikaresistenz vieler pathogener Bakterienstämme als alternativer therapeutischer Ansatz immer wichtiger", erinnert Lange. "Darum werden wir unsere technische Weiterentwicklung jetzt nutzen, um deren komplexe Struktur so schnell wie möglich aufzuklären."

Die neue Methode könne auch auf andere Systeme angewendet werden, schreibt das FMP. Damit Labore auf der ganzen Welt darauf zurückgreifen können, haben die Forscher für ihre Arbeit ein ausführliches Protokoll veröffentlicht (Nature Protocols 2017; 12: 764–782).

Globale Gesundheitskrise

Die WHO hat Antibiotikaresistenzen längst zu einer globalen Gesundheitskrise erklärt und zuletzt im Februar eine Liste mit Problemkeimen veröffentlicht, für die am dringendsten neue Antibiotika benötigt werden. Doch die Suche nach neuen Antibiotika gestaltet sich schwierig: Seit über 40 Jahren gab es keine wesentlichen Fortschritte in der Entwicklung. Eine Alternative zu Antibiotika könnten die besagten Phagen darstellen. Da es für jedes Bakterium spezifische Bakteriophagen gibt, scheinen sie sogar gezielter einsetzbar zu sein als Antibiotika, die immer auch "gute" Bakterien töten.

In Osteuropa wurde bereits viel mit Phagen experimentiert, und in den USA werden sie inzwischen genetisch so manipuliert, dass sie in der Lage sind, Mäuse von Infektionen mit multiresistenten Keimen zu heilen, erinnert das FMP. (eb)

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Der papierene Organspendeausweis soll bald der Vergangenheit angehören. Denn noch im März geht das Online-Organspende-Register an den Start.

© Alexander Raths / Stock.adobe.com

Online-Organspende-Register startet

Wie Kollegen die Organspende-Beratung in den Praxisalltag integrieren