INTERVIEW

"Die Früherkennung von Prostata-Ca ist derzeit nur per PSA-Test möglich"

Eine Ernährung mit vielen ungesättigten Fettsäuren eignet sich vielleicht zur Prävention von Prostatakrebs - bewiesen ist dies aber noch nicht, so Professor Jochachim W. Thüroff. Auch für Medikamente ist bisher kein eindeutiger Nutzen bei der Prävention belegt. Umso größer ist die Bedeutung der Früherkennung. Für Thüroff ist dafür der PSA-Test nach wie vor die beste Methode. Zu Beginn des Urologenkongresses in Wiesbaden sprach Thomas Müller von der "Ärzte Zeitung" mit dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Urologie.

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Ärzte Zeitung: Können Männer etwas zur Prävention von Prostatakrebs tun?

Professor Joachim W. Thüroff: Aus epidemiologischen Studien weiß man, daß Japaner seltener Prostatakrebs bekommen als US-Amerikaner. Wandern Japaner in die Vereinigten Staaten aus, erkranken sie ähnlich häufig. Das wird vor allem auf die Ernährung zurückgeführt. Günstig ist offenbar eine Diät mit wenig tierischem Fett, besonders mit wenig gesättigten Fettsäuren und wenig tierischen Eiweißen. Doch bisher ist nicht bewiesen, daß man durch eine konsequente Diät den Schutz erreichen kann, den epidemiologische Studien nahelegen.

Ärzte Zeitung: Kann man mit Medikamenten Prostatakrebs vorbeugen?

Thüroff: In einer großen Studie zur Chemoprävention mit Finasterid kam es zu einer deutlichen Senkung der Gesamtinzidenz von Prostata-Karzinomen mit Finasterid, aber die Inzidenz von aggressiven Tumoren war dabei erhöht. Bisher ist also nicht bewiesen, daß man durch Diät oder Medikamente gefährlichen Prostatakarzinomen vorbeugen kann.

Ärzte Zeitung: Gibt es Fortschritte bei der Prostatakrebs-Therapie?

Thüroff: Neu ist, daß es jetzt erstmals eine Chemotherapie gibt, die Männer mit fortgeschrittenem Prostatakarzinom länger leben läßt, wenn eine Hormontherapie nicht mehr hilft. Mit einer Docetaxel-Kombination wird bei solchen Männern die Lebenszeit im Schnitt um zwei Monate verlängert. Viele andere Substanzen und Therapie-Regime, die man zuvor geprüft hatte, waren für diese Altersgruppe zu toxisch.

Ärzte Zeitung: Die Früherkennung mit Prostata-spezifischem Antigen (PSA) wird von einigen Epidemiologen abgelehnt: Es kommt dadurch zu vielen unnötigen Biopsien, ein Screening auf PSA bringt keinen Überlebensvorteil, sagen die Kritiker. Gibt es bald Alternativen zu PSA?

Thüroff: Derzeit ist eine Früherkennung beim Prostatakarzinom nur per PSA-Test möglich - mit Palpation findet man zu viele Spätstadien. PSA ist aber ein Prostata-spezifischer und kein Tumor-spezifischer Marker. Durch Ersatz-Parameter wie die zeitliche Veränderung des PSA-Werts, oder PSA-Wert bezogen auf die Prostata-Größe lassen sich viele unnötige Biopsien vermeiden. Nach anderen Markern wird derzeit geforscht.

Ärzte Zeitung: Würden Sie sich für ein PSA-Screening aussprechen?

Thüroff: Wenn ein Patient einen solchen Test will, oder wenn man ihm einen Test anbietet, ist das absolut sinnvoll. Die tumorspezifische Mortalität läßt sich mit dem Test senken. Noch läßt sich aber nicht sagen, ob Männer die an einem Screening-Programm teilnehmen länger leben als Männer ohne Screening. Die Ergebnisse einer großen europäischen Screening-Studie gibt es frühestens 2007. Zum Thema PSA-Test gibt es beim Kongreß auch ein Forum, zu dem wir etwa den Medizinjournalisten Klaus Koch, Autor des Buches "Mythos Krebsvorsorge", eingeladen haben. Auch Initiatoren großer Studien zum PSA-Screening kommen.

Ärzte Zeitung: Gibt es neue Entwicklungen in der BPH-Therapie?

Thüroff: Bei rein irritativen BPH-Symptomen verwendet man wieder Anticholinergika. Früher hatte man gedacht, diese Mittel fördern den Harnverhalt, was aber nicht belegt wurde. So gibt es Studien, etwa mit Tolterodin, die gezeigt haben, daß man damit irritative Beschwerden wie Harndrang gut lindern kann. Diskutiert wird aber auch, ob man mit einer Arzneitherapie eine Resektion nur hinausschiebt - und zwar in ein Alter, in dem die Voraussetzungen der Patienten für eine Operation nicht mehr so gut sind, die Blase mehr Restharn hat und die Prostata noch größer ist. Daher stellt sich die Frage, ob man Patienten mit fortgeschrittener BPH nicht viel früher operieren sollte.

Ärzte Zeitung: Was wird an Zukunftstechniken auf dem Kongreß vorgestellt?

Thüroff: Es wird versucht, durch Tissue Engineering die Harnröhre, den Schließmuskel der Harnröhre, und die Blase mit Gewebe, das aus körpereigenen Zellen gezüchtet wird, zu ersetzen. Im Tierversuch funktioniert das bereits sehr gut, zu ersten klinischen Anwendungen kann man noch nicht viel sagen. Ein Problem: Die Blase muß innerviert sein. Es sprossen zwar Nervenfasern in die neue Blase ein, doch läßt sich die Ersatzblase bisher kaum willentlich entleeren. Die Patienten brauchen noch einen Katheter.

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