Studie soll‘s klären

Was ist dran an hirngesunder Ernährung?

Altersforscher haben Nahrungsinhaltsstoffe identifiziert, die Selbstreinigungsprozesse in den Gehirnzellen ankurbeln und womöglich vor neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer schützen könnten. Einer davon: Spermidin.

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In der SmartAge-Studie wird untersucht, wie sich Ernährung – hier speziell mit Spermidin aus Weinzenkeimen – auf das Gehirn auswirkt. Die Hoffnung: ein Schutz vor Alzheimer.

In der SmartAge-Studie wird untersucht, wie sich Ernährung – hier speziell mit Spermidin aus Weinzenkeimen – auf das Gehirn auswirkt. Die Hoffnung: ein Schutz vor Alzheimer.

© stock.adobe.com

GREIFSWALD/BERLIN. "Bisherige Daten lassen vermuten, dass Polyamine, insbesondere das Spermidin, sich positiv auf die Gehirnfunktion und geistige Fähigkeiten auswirken", berichtet Professor Agnes Flöel,Direktorin der Universitätsklinik für Neurologie in Greifswald, in einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Aktuell läuft dazu unter ihrer Leitung an der Charité in Berlin eine Studie.

Patienten gesucht

Für die "SmartAge"-Studie an der Charité in Berlin werden Studienteilnehmer im Alter zwischen 60 und 90 Jahren gesucht.

Interessenten können sich per E-Mail unter smartage@charite.de oder unter der Telefonnummer (0)30 450660395 melden.

In der "SmartAge"-Studie untersuchen die Forscher die Wirkung einer zwölfmonatigen Gabe von natürlichem Spermidin aus Weizenkeimen auf Lernen und Gedächtnis sowie auf die Struktur des Gehirns. An der Studie nehmen ältere, noch gesunde Menschen teil, deren Gedächtnis sich nach eigener Einschätzung verschlechtert hat. "Man weiß aus anderen Studien, dass Menschen mit subjektiv empfundener Gedächtnisverschlechterung, die sich Sorgen wegen einer Demenz machen, tatsächlich ein erhöhtes Risiko für eine Alzheimerkrankheit aufweisen", so Flöel. Nach Auskunft der DGN werden noch Studienteilnehmer gesucht.

Spermidin reduziert "Zell-Schrott"

Spermidin ist ein körpereigenes Produkt des Zellstoffwechsels und spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung von Zellprozessen. Externe Spermidinzufuhr über die Nahrung verlängere z. B. die Lebensspanne von Modellorganismen wie Hefen, Würmern und Fruchtfliegen, so die DGE, und stoppe den altersbedingten Erinnerungsverlust bei Fruchtfliegen – ein Effekt, den Forscher auf die Zunahme von Autophagie-Prozessen zurückführten.

Mit diesem Selbstreinigungsprozess verdaut und vernichtet die Zelle ihren "Schrott", wie pathologische Eiweiß-Ablagerungen. Solche Ablagerungen liegen fast allen neurodegenerativen Erkrankungen zugrunde, auch der Alzheimer- oder der Parkinsonkrankheit. Die These: Eine Ankurbelung dieses Selbstreinigungsprozesses könnte somit diesen Erkrankungen vorbeugen.

"Wir haben in einer eigenen kleinen Studie die Wirkung von natürlichem Spermidin, das aus Weizenkeimen gewonnen und in Kapseln verpackt worden war, auf Lernen und Gedächtnis untersucht", berichtet Flöel. "Wir konnten darin zeigen, dass sich Gedächtnisleistungen bereits nach dreimonatiger Einnahme tendenziell verbessern, bei sehr guter Verträglichkeit der Kapseln."

Wissenschaftler zählen laut DGE Spermidin zu den sogenannten Kalorienreduktions-Mimetika, also Substanzen, die Effekte des Fastens nachahmen – ähnlich wie Resveratrol aus roten Trauben und Epigallocatechingallat aus Grünem Tee. Der Körper produziere sie beim Abnehmen, man könne sie aber auch mit der Nahrung aufnehmen.

Super-Pille fürs Gehirn?

"Nahrungsergänzungsmittel können nie eine ausgewogene Ernährung ersetzen", betont allerdings Flöel in der Pressemitteilung. Um Demenzerkrankungen vorzubeugen, empfiehlt die S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) vielmehr, Diabetes, Bluthochdruck und Übergewicht im Auge zu behalten und diesen Risikofaktoren frühzeitig medizinisch entgegenzuwirken. Außerdem scheinen ein aktives soziales Leben, körperliche Bewegung und ein aktiver und gesunder Lebensstil das Risiko einer Erkrankung zu mindern.

Dennoch haben Lifestyle-Studien ihren Stellenwert. Denn Epidemiologen erwarten weltweit eine Verdopplung bis Vervierfachung der Zahl der Demenzerkrankungen bis 2050, und die bisherigen Bemühungen um kausale Therapien bei bereits ausgebrochener Alzheimer-Demenz waren, trotz weltweiter Forschung und milliardenschwerer Investitionen, nicht erfolgreich, wie die DGN schreibt. Die Suche nach Präventionsstrategien habe deshalb hohe medizinische, gesundheitspolitische und wirtschaftliche Relevanz. (run)

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