HINTERGRUND

Cannabis hemmt die Entwicklung von Nervenzellen

Von Kerstin Nees Veröffentlicht:

Suchtforscher warnen davor, die Gefahren von Cannabiskonsum vor allem für Jugendliche zu unterschätzen. Regelmäßiger Konsum beeinträchtigt die altersgemäße Entwicklung gravierend und erhöht das Risiko für psychische Störungen, vor allem Psychosen und Schizophrenien. Besorgniserregend ist das frühe Einstiegsalter, die Kombination mit anderen Rauschmitteln und die hohen THC-Gehalte in Marihuana.

"Wir waren früher der Ansicht, Cannabis führe nur zu psychischer Abhängigkeit. Heute sind wir der Überzeugung, dass durch problematische Konsumformen und höhere THC-Gehalte auch körperliche Abhängigkeit entsteht," sagte der Suchtmediziner Professor Rainer Thomasius vom Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).

Das Risiko für Psychosen und Schizophrenie sei bei Jugendlichen sechsfach erhöht. Gedächtnis und Konzentrationsvermögen leiden, Entwicklungsstörungen sind programmiert. "Wir sehen 21-Jährige mit einer fünf- bis sechsjährigen Kifferkarriere, die in der Entwicklung auf der Stufe von 15-Jährigen stehen.

Sie haben Identitätsstörungen, werden den Anforderungen einer Leistungsgesellschaft nicht gerecht", sagte Thomasius bei einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchtherapie in Hamburg. Fast die Hälfte aller älteren Schüler in deutschen Großstädten habe Cannabiserfahrungen. Das Einstiegsalter liege bei 14 bis 15 Jahren, teilweise deutlich früher, bei 10, 11 oder 12 Jahren.

Jeder fünfte 14-Jährige hat Erfahrungen mit Cannabis.

In Hamburg hat nach Ergebnissen der Schulbus-Studie 2005 jeder fünfte 14-Jährige einmal Cannabis konsumiert, bei den 14- bis 18-Jährigen etwa 40 Prozent. Insgesamt konsumieren 17 Prozent der 14- bis 18-Jährigen Hamburger Cannabis. Für die Studie wurden im Auftrag der Stadt etwa 3000 Schüler aller Schulformen zwischen 14 und 18 Jahren zum Konsum von Drogen befragt. Die Daten sollen Rückschlüsse für die Suchtprävention ermöglichen.

Über die Entwicklung des Cannabiskonsums in Deutschland gibt der epidemiologische Suchtsurvey Auskunft - eine Repräsentativerhebung zum Konsum psychoaktiver Substanzen bei Erwachsenen in Deutschland (Sucht 51, 2005, Sonderheft 1, 4). Danach gebrauchten 1990 etwa 18 Prozent der 18- bis 24-Jährigen zumindest einmal im Leben Cannabis. 2003 waren es 44 Prozent. Die 12-Monatsprävalenz für Cannabiskonsum - Gebrauch in den vergangenen 12 Monaten - lag 1990 bei etwa 9 und 2003 bei etwa 23 Prozent.

"Diese Dynamik hängt mit der gesellschaftlichen Akzeptanz und der immer besseren Verfügbarkeit von Cannabis zusammen", sagte der Hamburger Gesundheitsstaatsrat Dietrich Wersich. "Immer noch kursieren verheerend verharmlosende Botschaften zu Cannabis, etwa dass ein Joint gesünder sei als Zigaretten oder Alkohol." Diesen Botschaften müsse entgegengewirkt werden, Drogenfreiheit Normalität werden. In so einem Klima seien Suchtgefährdete effektiv geschützt.

Bei den Cannabiskonsumenten seien etwa zehn Prozent suchtgefährdet, so Thomasius. "Sie nehmen Cannabis, um mit dem Alltag, dem Schulstress oder ihrer Ängstlichkeit umgehen zu können. Bei ihnen droht Abhängigkeit, aus der sie alleine nicht heraus kommen."

Aus neurobiologischer Sicht sind vor allem Jugendliche im Alter von 13 bis 15 Jahren gefährdet. "In diesem Alter laufen im Gehirn erhebliche Umbauprozesse ab, die wichtig für die Filterfunktion des Gehirns sind", sagte Professor Hans Rommelspacher von der Charité Berlin. Die Pubertät sei eine Entwicklungsphase, in der Cannabinoide besonders schädlich sind. "Bei frühem Einstieg ist das Risiko für bleibende Veränderungen besonders groß."

STICHWORT

Cannabis

Cannabis ist der lateinische Name der Hanfpflanze und gleichzeitig der Sammelbegriff für die aus Hanf hergestellten Rauschmittel, vor allem Marihuana und Haschisch. Die berauschende Wirkung der Hanfpflanze beruht vor allem auf dem Tetrahydrocannabinol (THC). Haschisch (Dope, Pot oder Shit) ist gepresstes Cannabis-Harz. Marihuana bezeichnet die getrockneten weiblichen Blütenstände der Hanf-Pflanze mitsamt ihrem anhaftenden Harz (Gras), die sich im Unterschied zu Haschisch leichter pur - ohne Tabak - rauchen lassen.

Suchtzentrum

Das Deutsche Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) ist eine Fachstelle für indizierte Suchtprävention für Kinder und Jugendliche in Hamburg. Das vom Hamburger Senat geförderte Zentrum wurde im Oktober 2006 als universitäre Einrichtung gegründet. Basis ist die Drogenambulanz an der Uniklinik UKE und die jahrzehntelange wissenschaftliche Beschäftigung der UKE-Forscher mit Substanzgebrauch im Jugendalter. Ziel der Einrichtung ist, die Qualität der Suchtprävention vor allem für Kinder und Jugendliche zu verbessern.

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