Mit der Zornesfalte geht auch die Migräne

BERLIN (ddp). Etwa acht Millionen Menschen in Deutschland haben Migräne. Alle Therapieverfahren - Medikamente, Verhaltenstherapien, Akupunktur oder Homöopathie - können die Schmerzen nur lindern und die Zahl der Attacken senken. Eine deutliche Abnahme der Symptomatik oder gar Heilung verspricht eine Op-Methode, die Privatdozent Thomas Muehlberger aus den USA mitgebracht hat.

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Dabei wird Muskulatur entfernt, die eine Migräne auslösen kann (wir hatten bereits kurz berichtet). Diese Methode wird von Muehlberger, der sich auf nervale Gesichts-Chirurgie spezialisiert hat, jetzt in Deutschland in der Berliner Park-Klinik Weißensee angeboten.

"Die Behandlung ist kein Allheilmittel. Sie ermöglicht nur bei bestimmten Migränetypen erhebliche Schmerzlinderung oder gar Heilung und stellt eine Alternative zu den bislang gängigen etwa 100 Therapien dar", betont Muehlberger.

Der Plastische Chirurg schätzt, daß durch die Operation zwischen fünf und zehn Prozent der Betroffenen geholfen werden könnte. Das sind Patienten, deren Schmerzen an den Schläfen, der Stirn oder über den Augen lokalisiert sind. Nach Muehlbergers Angaben werden bei dem Eingriff die Muskeln über dem Auge entfernt, die für die Bildung der sogenannten Zornesfalten zwischen den Augenbrauen zuständig sind.

Der Eingriff wird unter Vollnarkose ambulant vorgenommen und dauert etwa zwei Stunden. Zu den Muskeln gelangt der Chirurg über einen kleinen Schnitt in der Augenlidfalte.

Bei einigen Patienten entsteht Migräne nicht im Gehirn

Die Methode basiert auf der Theorie, daß bei einigen Menschen Migräne nicht im Gehirn, sondern außen am Kopf entsteht. Durch ständiges Anspannen wird eine Verästelung des Trigeminus-Nervs im Muskel dauerhaft gedrückt und dadurch gereizt. Das führt zur Ausschüttung von Entzündungsmediatoren, die dann die schweren Kopfschmerzattacken auslösen. Durch die Entfernung der Muskeln kann der Nerv nicht mehr komprimiert werden.

An der Universitätsklinik in Cleveland, wo die Methode entwickelt wurde, sind in den vergangenen vier Jahren bereits mehrere hundert Migränepatienten auf diese Art behandelt worden. Eine erste Studie aus dem Jahr 2000 belegte bei 31 von 39 operierten Patienten eine deutliche Linderung der Migräne. 16 der Patienten berichteten über eine sehr deutliche Verbesserung, weitere 15 waren nach der Operation völlig beschwerdefrei, wie Muehlberger berichtet. Der Chirurg selbst hat in Amerika mehr als 80 Patienten auf die beschriebene Weise operiert.

Vor der Operation wird die Migräne von einem Neurologen diagnostiziert und der Migränetyp festgestellt. Dazu muß der Patient einen umfangreichen Fragenkatalog beantworten.

Als Test wird die Muskulatur mit Botulinum-Toxin gelähmt

Scheint der Migränetyp und damit der betreffende Patient für die Operation geeignet, wird das Nervengift Botulinum-Toxin in die Muskulatur unter den Augenbrauen injiziert, das die Muskeln lähmt. "Dies hat sich in der Vergangenheit als sehr verläßlicher Hinweis für die Wirksamkeit nachfolgender Operationen erwiesen", so Muehlberger. Werden durch die Botulinum-Toxin-Injektion die Migräne-Symptome bei den Patienten in den folgenden Wochen um mehr als 50 Prozent gelindert, stehen die Chancen für einen Op-Erfolg gut.

Übrigens wurde die positive Wirkung der Muskelentfernung bei Migräne eher zufällig entdeckt: Von 314 Patienten, die sich aus ästethischen Gründen die Muskeln entfernen ließen, gaben 39 bei der Nachbehandlung an, vorher eine Migräne gehabt zu haben, die plötzlich weg sei.

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