HINTERGRUND

Rücken in 3D und in Farbe - und das ganz ohne Röntgenstrahlen

Von Swanett Koops Veröffentlicht:

"Die 3D-Wirbelsäulenvermessung funktioniert im Prinzip wie die Landschaftsvermessung, nämlich mit Videorasterstereographie." Dr. Burkhard Ulsamer, niedergelassener Orthopäde aus Würzburg, weiß, wovon er spricht, denn er ist ein Fachmann auf diesem Gebiet. Warum dieses Meßverfahren ein sehr hilfreiches, orthopädisches Diagnoseverfahren ist und wie es funktioniert, erklärt Ulsamer im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Die 3D-Wirbelsäulenvermessung ist nach Ulsamers Angaben ein Mittelweg zwischen klinischer Untersuchung und konventionellen bildgebenden Verfahren wie etwa Röntgen. Speziell die Rotation der Wirbelsäule und somit der Rückenoberfläche ließe sich genauer als mit jedem anderen Verfahren bestimmen.

Farbiges Computerbild entlarvt alle möglichen Asymmetrien

Bei der Vermessung wird ein farbiges Computerbild vom Rücken erzeugt, womit mögliche Asymmetrien entlarvt werden. Der große Vorteil dabei: Es wird nicht mit Röntgenstrahlen, sondern völlig nebenwirkungsfrei mit Licht gearbeitet, so daß die Messung beliebig oft wiederholt werden kann. Und das ist besonders bei Kindern etwa mit skoliotischen Fehlhaltungen oder strukturellen Skoliosen zur Therapiekontrolle sehr hilfreich, "weil wir so die Strahlenbelastung reduzieren", sagt Ulsamer.

Ein Linienraster wird durch die Rückenkrümmung verformt

Zunächst wird ein genormtes Rasterlinien-Dia auf den Rücken des Patienten projiziert. "Durch die Krümmung des Rückens werden diese Linien individuell deformiert", erklärt Ulsamer. Eine Videokamera nimmt das so entstandene Bild vom Rücken mit den deformierten Linien auf und gibt die Daten an einen Computer weiter, wo diese analysiert werden. Am Ende kommt dann ein farbiges, dreidimensionales Bild des Rückens heraus, "bei dem konkave Flächen blau, konvexe rot und sattelförmige Flächen grün sind", so Ulsamer.

Außerdem werden charakteristische Punkte auf dem Patientenrücken - der Dornfortsatz von C7, die Lumbalgrübchen und der Beginn der Gesäßfalte - bestimmt, die der Computer erkennt und an denen sich die weitere Auswertung orientiert. Die Bestimmung dieser Punkte ist nötig, "da die Messung so unabhängig von der Stellung des Patienten im Raum beliebig oft wiederholt werden kann."

Messung wird bei Therapien von Kopf bis Fuß eingesetzt

Zudem ermittelt der Computer eine Symmetrielinie, die beim gesunden Rücken der Dornfortsatzreihe entspricht. Mit diesen Daten kann Ulsamer jetzt alle möglichen Abweichungen der Wirbelsäule und des Beckens von der Symmetrie feststellen.

Und dabei ist dieses Meßverfahren geradezu eine diagnostische Wundertüte: Von Kopf - etwa bei einer Kieferregulierung - bis Fuß, nämlich zur Therapiekontrolle bei Einlagenversorgung, kommt das Verfahren zur Anwendung. Patienten mit Hohlrücken, Rundrücken, Flachrücken, skoliotischer Fehlhaltung oder struktureller Skoliose lassen sich den Rücken ebenso in 3D abbilden wie Patienten mit Beckenschiefstand, Muskeldysbalancen oder Beinlängendifferenzen.

Bei letzterem Prozedere stehen die Patienten auf einer Balancewaage, die jedes Bein unabhängig vom anderen Bein in der Höhe verändern kann. Wird jetzt ein Ausgleich der Verkürzung vorgenommen, "kann ich bei jeder Erhöhung ein Kontrollbild von Becken und Rücken machen."

Bei der Kieferregulierung nutzt Ulsamer die Meßmethode aus folgendem Grund: "Bekommt ein Patient zum Beispiel eine Bißschiene angepaßt, kann das Auswirkungen auf die ganze Statik des Körpers haben." Eine Aufnahme mit und eine ohne Schiene schafft solche Befürchtungen aus der Welt. Ebenfalls auf die Haltung von Becken und Rücken wirkt sich die Therapie mit propriozeptiven Einlagen aus. Dabei handelt es sich um Einlagen, die durch eine bestimmte Form die Rezeptoren in den Fußmuskeln an ganz bestimmten Stellen reizen, was dann die Körperhaltung beeinflußt. Kontrolliert wird hier ebenfalls einmal mit und einmal ohne Einlagen.

Die Messung, die etwa 20 Minuten dauert und die der Orthopäde als individuelle Gesundheitsleistung mit knapp 80 Euro berechnet, ist inzwischen schon Standard in Ulsamers Praxis geworden. Und: "Viele Patienten werden auch von Kollegen wegen der 3D-Wirbelsäulenvermessung zu mir überwiesen", berichtet Ulsamer.



FAZIT

Die 3D-Wirbelsäulenvermessung ist ein optisches Diagnoseverfahren, mit dem besonders die Rotation der Rückenoberfläche untersucht werden kann. Da keine Röntgenstrahlung verwendet wird, kann die Messung beliebig oft wiederholt werden. Besonders bei der Behandlung von Kindern mit Fehlhaltungen ist so eine optimale Therapiekontrolle möglich. Aber auch bei anderen Therapien, die sich auf die Haltung von Rücken und Becken auswirken können - etwa die Versorgung mit Einlagen - ist diese Vermessung hilfreich. (sko)

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