Hutchinson-Gilford Progeria Syndrom

Kann Brokkoli Defekte mildern?

Zum Hutchinson-Gilford Progeria Syndrom, das Kinder frühzeitig altern lässt, liegen neue Erkenntnisse vor: Eine Substanz, die in Brokkoli enthalten ist, kann offenbar die defekte zelluläre Müllabfuhr wieder aktivieren.

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Ein in Brokkoli enthaltener Wirkstoff macht Forschern Hoffnung, neue Therapieansätze bei Kindern mit dem Hutchinson-Gilford Progeria Syndrom zu finden.

Ein in Brokkoli enthaltener Wirkstoff macht Forschern Hoffnung, neue Therapieansätze bei Kindern mit dem Hutchinson-Gilford Progeria Syndrom zu finden.

© stevem / Fotolia.com

MÜNCHEN. Ein Grund dafür, dass Kinder mit dem Hutchinson-Gilford Progeria Syndrom (HGPS) frühzeitig altern, ist ein defekter Eiweißstoff in ihren Zellen.

Jetzt wurde ein weiterer wichtiger Krankheitsfaktor identifiziert: Die zelluläre Müllabfuhr, die für den Abbau von defekten Proteinen verantwortlich ist, arbeitet in HGPS-Zellen auf einem niedrigeren Level als in normalen Zellen.

Mit einer Substanz aus Brokkoli gelang es den Forschern, den Proteinabbau in den Zellen wieder zu aktivieren und so krankheitsbedingte Defekte abzumildern (Aging Cell 2014; online 16. Dezember).

Die meisten HGPS-Patienten tragen eine Mutation, die eine fehlerhafte Form des Proteins Lamin A erzeugt, heißt es in einer Mitteilung. Dieses defekte Protein wird als Progerin bezeichnet.

Das normale Lamin A ist ein wichtiger Bestandteil des Gerüsts, das die DNA im menschlichen Zellkern umgibt. Es spielt eine wichtige Rolle beim Ablesen von bestimmten Genen.

Die defekte Form Progerin ist dagegen nicht funktionstüchtig, wird aber permanent neu gebildet - die Folge: Progerin sammelt sich im Zellkern an und lässt die Zelle "altern".

HGPS-Patienten leiden deshalb an klassischen Alterserkrankungen wie Arteriosklerose, Osteoporose, Herzinfarkten und Schlaganfällen. Deshalb gilt die Krankheit auch als mögliches Modellsystem für das natürliche Altern von Zellen.

Blick in den Zellkern

Um herauszufinden, welche Stoffwechselwege durch die Mutation und das defekte Protein genau betroffen sind, führten Forscher eine Vergleichsstudie von kranken und gesunden Gewebezellen durch.

Sie überprüften dabei die Proteinzusammensetzung in den Zellkernen und suchten nach Unterschieden.

Besonders ins Auge fiel dabei eine Gemeinsamkeit: Sowohl in den gesunden als auch in den kranken Zellen fand sich die fehlerhafte Proteinform Progerin - aber nicht in derselben Menge.

Progerin entsteht auch in gesunden Zellen, vermutlich als Nebenprodukt. Eine gut funktionierende zelluläre Müllabfuhr kann diese geringen Mengen Progerin aber abbauen, wird in der Mitteilung erläutert.

In den Zellkernen der kranken Zellen konnten die Wissenschaftler aber 10 bis 20 Mal mehr Progerin nachweisen - ein riesiger Müllberg, der entsorgt werden muss.

Müllabfuhr in HGPS-Zellen gestört

Wie die Wissenschaftler herausfanden, funktionierte die zelluläre Müllabfuhr, das so genannte Proteasom und die Autophagie, in HGPS-Zellen nicht mehr korrekt. Diese beiden Abbausysteme bestehen aus sehr großen Proteinkomplexen.

Sie sorgen dafür, dass defekte oder überschüssige Proteine abgebaut werden. In den HGPS-Zellen wurden einige wichtigen Bauteile dieser Komplexe nur noch in geringeren Mengen gebildet.

Diese Fehler in der zellulären Müllabfuhr verstärken den Effekt, dass sich defektes Progerin innerhalb kurzer Zeit ansammelt und die Zelle schädigt.

Insgesamt fanden die Wissenschaftler mehr als 28 Proteine aus unterschiedlichen Bereichen, die in den Zellkernen der HGPS-Patienten fehlreguliert waren - als Folge einer einzigen Mutation im Lamin A Gen.

Substanz aus Brokkoli als Therapieansatz?

Die Wissenschaftler suchten als nächstes in der Literatur nach Substanzen, die das Proteasom und die Autophagie aktivieren und so der Progerinansammlung entgegenwirken könnten.

Fündig wurden sie in Brokkoli. Darin wird ein Stoff produziert, Sulforaphan, der den Proteinabbau in der Zelle aktiviert.

Die Wissenschaftler behandelten die HGPS-Zellen mit der Substanz und stellten fest, dass signifikant weniger Progerin in den Zellen zu finden war.

 Auch DNA-Schädigungen und Zellkernverformungen, weitere Effekte der Krankheit, traten seltener auf als in unbehandelten Zellen. (eb)

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