In Hollywood-Filmen über Krebs sind Ärzte keine Wunderheiler

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Von Angela Mißlbeck

Etwa 50 Filme, in denen es zentral um Krebserkrankungen geht, hat Hollywood in den Neunziger Jahren produziert. Eines haben alle gemeinsam: Der Arzt gibt nicht den Helden oder Wunderheiler ab, sondern erscheint als Mensch mit Macken. "In keinem einzigen Krebsfilm sind Ärzte die Halbgötter in Weiß. Oft sind sie selbst problematische Persönlichkeiten, in deren Leben etwas schief läuft", sagt der Berliner Mediensoziologe Dietmar Jazbinsek. Als Beispiel verweist er auf den Film "Zwei Frauen" von Regisseur Carl Schenkel.

Jazbinsek hat im Auftrag der Berliner Krebsgesellschaft Kino- und Fernsehfilme zum Thema Krebs daraufhin untersucht, ob sie alternative Krebstherapien propagieren. Sein Ergebnis: Sie tun es nicht. "Die Therapie spielt keine Rolle, der Patient muß sterben, das erfordert die Dramaturgie", so Jazbinsek bei einer Tagung der Evangelischen Akademie Berlin. Das sei auch der Grund, warum der Arzt in diesen Filmen nicht als Held dastehe: "Es gibt bei Krebs keine heroische Therapie, die jemand glaubhaft entwickeln könnte. Deshalb sind die Ärzte in diesen Filmen nicht die Halbgötter in Weiß."

Laut Jazbinsek kommen die Mediziner in allen Krebsfilmen relativ schlecht weg. "Eines der großen Themen der Filme ist die Heilung des Arztes durch den Patienten. Manchmal reicht das aber nicht, dann muß der Arzt selbst Krebs bekommen", so Jazbinsek. Als Beispiel nennt er den Film "The Doctor" ("Der Doktor - Ein gewöhnlicher Patient"), in dem William Hurt einen karrierebesessenen Kardiologen spielt, bei dem ein Tumor festgestellt wird.

Jazbinsek hat eine weitere überraschende Entdeckung gemacht: "Krebspatienten sind in Hollywoodfilmen diejenigen, die noch sehr engen Kontakt zu ihren Gefühlen haben. Sie stellen Lebenslügen in Frage." Das Bild der Krebspatienten in Hollywoodfilmen steht somit in völligem Gegensatz zu dem gesellschaftlichen Bild, das Susan Sonntag in ihrem Buch "Krankheit als Metapher" von Krebskranken gezeichnet hat.

Dort erscheinen die Krebspatienten als Verdrängungskünstler. "Das Bild stimmt heute überhaupt nicht mehr", so Jazbinsek. Im Zentrum von Familien- und Liebesfilmen zum Thema Krebs, wie "Das Haus am Meer", "Sweet November" oder "Marvins Töchter" steht Jazbinsek zufolge ein Erlösungsmotiv: Die Krebserkrankung bringt zerrüttete Familien wieder zusammen. "Erst wenn sie Liebe und Familie gerettet haben, sterben die Patienten", so Jazbinsek.

Eine weitere Kategorie von Krebsfilmen bezeichnet Jazbinsek als Krebspolitikfilme. Der Mediensoziologe vom Wissenschaftszentrum Berlin verweist auf Francis Ford Coppolas "Der Mann, der zuviel wußte", in dem die Krankenversicherung einem leukämiekranken Jungen die Knochenmarktransplantation verweigert. "Diese Filme sind nicht unrealistisch, auch dann nicht, wenn man sie auf deutsche Verhältnisse überträgt", so Jazbinseks Fazit.

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