Kupferstiche mit Baldachinbetten und Aderlaß-Szenen

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Von Klaus Brath

Die Kranken liegen mit Nachtmützen in Baldachinbetten. Mehrere Mönche, die sich offenbar mit zwei Frauen und einem Arzt abstimmen, verteilen das Essen. Der realistische Kupferstich (um 1635) von Abraham Bosse (1602 bis 1676) zeigt die Atmosphäre im Hôspital de Charité in Paris - ein wertvolles Dokument aus einer Zeit, als die Krankenhäuser noch als Armenhäuser fungierten.

Detailreichtum, Themenvielfalt und lebensnahe Darstellung sind die hauptsächlichen Merkmale, weshalb das druckgraphische Werk von Bosse bis heute gerühmt wird. Kein Wunder, daß sein Oeuvre auch für Medizinhistoriker eine Fundgrube darstellt.

Der vor 400 Jahren im französischen Tours geborene Kupferstecher, Zeichner und Kunsttheoretiker stellte wie kaum ein anderer Künstler das Leben seiner Zeit unter der Herrschaft der Könige Ludwig XIII. (1601 bis 1643) und Ludwig XIV. (1638 bis 1715) mit allen Sitten und Bräuchen dar.

Krankheiten als Störung der vier Körpersäfte

Damals galten Krankheiten vielen Ärzten noch immer als Störung der vier Körpersäfte. Entsprechend waren ableitende Verfahren das Mittel der Wahl. So zeigt ein verbreiteter Stich Bosses einen elegant gekleideten Arzt beim Anlegen einer Staubinde für den Aderlaß . Ein beigefügter Vers preist die Prozedur ("...Über alle Heilmittel schätze ich den Aderlaß. Ich fühle mich in neuer Kraft wiederkehren...").

Auf einem anderen Stich, einer der ersten ernst zu nehmenden Klistier-Darstellungen, zeigt Bosse, wie sich ein elegant gekleideter Arzt mit einer voluminösen Klistierspritze einer Kranken nähert, während eine Dienerin einen komfortablen Nachtstuhl mit gepolstertem Sitz bereithält.

Bildfolgen zur Geschichte der Geburtshilfe

Auch zur Geschichte der Geburtshilfe haben sich qualitätvolle Bilddokumente Bosses erhalten. So gestaltete der Künstler eine Geburtsszene in einer wohlhabenden Bürgerfamilie, bei der sich neben der Hebamme noch sechs weitere Personen um das transportable Gebärbett der Kreißenden drängen. Andere Kupferstiche offenbaren Details über die Einrichtung der Wochenstube und über die damals übliche Methode, das Neugeborene zu wickeln.

Abraham Bosse werden in diesem Jahr zwei Ausstellungen in Frankreich gewidmet (Bis 18.7. in Tours, Musée des Beaux-Arts und noch bis zum 13.7. in Paris in der Bibliotheque Nationale de France).



ZUR PERSON

Abraham Bosse

Der Kupferstecher wurde 1604 in Tours als Sohn eines Schneidermeisters (das Geburtsdatum ist unbekannt; kürzlich wurde das Geburtsjahr nach der Entdeckung eines Ausbildungsvertrages von 1602 auf 1604 korrigiert). 1620 wurde er zum Kupferstecher in Paris ausgebildet. In den nächsten Jahren schafft Bosse über 1600 Werke. 1645 erscheint sein Traktat über die Kunst des Kupferstechens, das in mehrere Sprachen übersetzt wird. 1648 bekommt er einen Lehrauftrag an der Académie Royale de Peinture et de Sculpture (nach Streitigkeiten 1661 Ausschluß aus der Académie), 1651 wird Thomas Hobbes' "Leviathan" mit dem berühmten Frontispiz des Leviathan als Körper aus Körpern veröffentlicht. Die kunsthistorische Zuschreibung dieses zentralen Sinnbildes staatlicher Ordnung an Bosse ist jedoch umstritten. 1676 stirbt Bosse in Paris. (kbr)

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